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Josephine Sonnenschein – Kurzgeschichten, Gedichte, Bilder

Josephine Sonnenschein – Kurzgeschichten, Gedichte, Bilder

Schlagwort-Archiv: Trauer

Tonne (4)

22 Sonntag Okt 2017

Posted by josephinesonnenschein in Allgemein, Belletristik, Erzählung, Gedanken, Literatur

≈ 2 Kommentare

Schlagwörter

Beziehung, Depression, Freundschaft, Hund, Kind, Leben, Liebe, Menschen, Trauer

Fortsetzungsgeschichte

Hinweis an die Leserinnen und Leser: Bei dem Text „Tonne“ handelt es sich um eine Erzählung, deren Inhalt frei erfunden ist. Ich habe sie vor einiger Zeit geschrieben und werde sie nun in einzelnen Teilen vorstellen.

Wochen später

Karls Vater

1. Tagebucheintrag (10. Oktober)

Gestern bei Sibylle gewesen. Die Ärzte haben mir wenig Hoffnung gemacht. Schwere Depression lautete ihre Diagnose. Sie weigert sich mit einem Psychologen zu sprechen. In der Klinik halten sie sie für selbstmordgefährdet und stecken sie in eine geschlossene Abteilung bis sie bereit ist sich einer Therapie zu unterziehen. Sie behandeln sie mit Medikamenten, stellten sie ruhig, machten sie müde, sagten, Schlaf wäre gut, würde ihr helfen.
Sie war mir so fremd geworden. Kann ein Mensch sich so schnell verändern? Ich weiß nicht, ob sie mich wirklich erkannt hat in ihrer künstlichen Schläfrigkeit.
Ich habe ihr erzählt, immer wieder, wie notwendig wir sie brauchen, wie sie uns fehlt, vor allem Karl frage immer wieder nach ihr und Tonne suche sie im ganzen Haus, kann nicht begreifen, der kleine Hund, dass sie weg ist. Weit weg ist. Unerreichbar auch für mich, der doch neben ihrem Bett sitzt und ihre kalte Hand hält und sie streichelt, unerreichbar scheint sie in Tiefen des Seins abgetaucht, zu denen ich und auch die anderen um sie herum keinen Zugang haben.
Die Ärzte meinen, ich sollte immer wieder kommen und mit ihr reden, auch wenn es momentan aussichtslos erscheine, an sie heranzukommen. Ich werde es versuchen.

2. Tagebucheintrag (14. Oktober)

Heute kam es mir vor, als ob sie ein bisschen reagierte hätte auf meine Worte, sie zuckte kaum merklich zusammen, als ich Karl erwähnte. Was ich ihr nicht erzählte, verschwieg war, dass Karl für mich immer mehr zum Problem wird. Er verschwindet nun tagelang aus dem Haus und ich beginne jedes Mal zu befürchten, er kommt nicht mehr heil zurück, oft war ich schon kurz davor, die Polizei um Hilfe zu bitten, nachdem ich mit dem Fahrrad auf der Suche unterwegs war, um ihn zu finden, aber jedes Mal kam er doch wieder zurück, suchte seine Mutter zuerst in der Küche und dann im ganzen Haus, begleitet von Tonne, der aufgeregt in allen Ecken schnüffelte und deinen Schuh herbeizerrte und mir auffordernd vor die Füße warf, mich anblickend, als wolle er f ragen: Wo ist sie denn, mein Frauchen?
Karl sieht schlecht aus und fragt immer wieder: Ist sie tot? Ist sie nun ein Engel wie Bettina?
Was soll ich da erklären, einem der so wenig zu verstehen scheint und doch mehr ahnt, als wir alle, so denke ich manchmal wirklich, auch wenn du mich für verrückt erklären würdest, so denke ich jedenfalls.
Ich habe Karl versprochen, dass er dich besuchen darf. Er muss sich davon überzeugen, dass du noch lebst. Aber wie wirst du in deiner Erstarrung auf ihn wirken? Davor habe ich Angst, vor Karls Reaktionen fürchte ich mich. Und auch davor, wie du auf Karls Anwesenheit reagieren wirst.
Die Ärzte sind einverstanden. Wir werden einen Versuch wagen. Das nächste Mal komme ich mit Karl und natürlich auch Tonne, aber der muss draußen warten. Aber vielleicht geht es dir bis dahin schon besser und wir können alle drei bzw. vier gemeinsam im Garten spazieren gehen.
Das Essen ist auch ein Problem: Am Abend bringe ich Karl aus der Krankenhauskantine etwas mit, morgens frühstücken wir gemeinsam und ich richte ihm immer etwas her, das er alleine mittags essen kann, eine Brotzeit. Ich habe ihm verboten, den Ofen zu benützen, weil ich befürchte, er könne damit Unsinn machen oder vergessen, die Platte wieder auszuschalten. Noch klappt es einigermaßen. Die Wohnung sieht allerdings chaotisch aus. Wir brauchen dich wirklich, aber nicht als Putzfrau, sondern als meine Frau und Karls Mutter.
Mit wem soll ich sprechen? Mit Karl ist es schwierig, du weißt das ja. In der Klinik belasten mich einige tragische Fälle sehr, wie soll ich andere trösten und beruhigen, wenn ich selbst dringend Trost bräuchte? Aber ich darf sie das nicht fühlen lassen, versuche es jedenfalls, aber es gelingt sicher nicht immer und erstaunlicherweise erfahre ich oft Trost und Ermutigung von Menschen, von denen ich es am allerwenigstens erwartet hätte.

3. Tagebucheintrag (15. Oktober)

Gestern haben wird dich also gemeinsam besucht. Karl weiß jetzt, wo du zu finden bist, er hat eine Vorstellung von dem Ort, der dich für uns in nächster Zeit unerreichbar macht. Es ging besser als ich dachte. Trotz deiner Müdigkeit konntest du Karl anlächeln und er ließ es sogar zu, dass du seine Hand gehalten hast, länger als den üblichen Moment eines Händedrucks. Natürlich konnte ich nicht so lange bleiben wie an den anderen Tagen, Karl wurde unruhig und Tonne wartete vor der Tür im Garten der Klinik, wo eine freundliche junge Schwester ihn auch mit Wasser und Futter versorgt hatte. Trotzdem, Karls Unruhe wirkte sich auf dich aus, ich konnte es an deinen Augen sehen, die ständig hin und her wanderten, als suchten sie etwas. Noch immer bist du mir sehr fremd und unerreichbar. Aber die Ärzte sprechen schon von kleinen Erfolgen: Du bist inzwischen mehrmals freiwillig aufgestanden, hast lange Zeit aus dem Fenster geblickt, hast reagiert auf Fragen der Schwestern. Nächste Woche wollen sie, dass du mit den anderen Patienten gemeinsam zum Essen kommst, um deine Reaktion zu prüfen: Kannst du allmählich wieder in eine Gemeinschaft zurück oder verweigerst du den Kontakt zu anderen. Sie haben auch vor, eine Gesprächstherapie zu beginnen, auch wenn du überwiegend noch schweigst, aber das wäre kein Einzelfall beruhigten sie mich, sie würden dich so lange schweigen lassen, bis du bereit wärest, zu reden. Das erinnert mich ein bisschen an Verhörmethoden und ich fühle mich gar nicht wohl dabei. Wie wirst du darauf reagieren? Ich würde dir gerne helfen, aber du bleibst auch in meiner Gegenwart stumm. Bin ich der Grund für deine Depression? Ich habe mein Verhalten dir gegenüber schon mehrmals hinterfragt und kann keine ausreichenden Gründe für den Ausbruch dieser schrecklichen Krankheit entdecken. Aber das ist es ja gerade, die Unfähigkeit des Erkrankten, darüber zu reden, gerade weil er selbst nicht weiß, woher sie kommt, sie überfällt ihn aus scheinbar heiterem Himmel. Ich suche auch ständig nach Anzeichen, die wir nicht genug beachtet haben, zu wenig ernst genommen haben.

Karls Mutter

Brief (20. Oktober)

Lieber Stefan,

nun haben sie Dir wohl gesagt, Du solltest mir Briefe schreiben, da ich nicht bereit sei, mir Dir zu sprechen.
Natürlich freue ich mich, wenn Du mir schreibst, wie sehr Du mich magst und darauf wartest, dass ich zurückkomme. Möglichst bald, wie Du das hoffst und vor allem auch Karl, der mich sucht und auch auf mich wartet. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie schwer es mir fällt, selbst diese Worte zu schreiben. Es strengt furchtbar an, sich aufzuraffen, sich den Befehl zu geben, Dir zu antworten, weil Du mein Mann bist und verdient hast, dass ich Dein Bemühen anerkenne. Eine kurze Antwort wenigstens, so hast Du geschrieben, ein paar Zeilen schon, sie würden Dich glücklich machen und mich ein bisschen aus meinem Tief herausreißen, würden auch mir gut tun, denkst Du.
Aber ich kann Dich nicht trösten, da ich selber Trost brauche und jemanden, der mich versteht. Dir kann ich vieles nicht sagen, denn es würde Dich zu sehr belasten, du könntest es nicht ertragen, es würde wie eine unüberwindbare Mauer zwischen uns entstehen. Nein, vieles darf ich Dir nicht zumuten, ich spüre das. Selbst den Ärzten wage ich nicht die Wahrheit zu sagen, obwohl ich immer deutlicher spüre, immer sicherer weiß, es muss etwas passieren, sonst ersticke ich daran. Verzeih mir, dieser Brief wird Dich nicht erreichen, vielleicht gelingt es mir, Dir an einem anderen Tag die von Dir gewünschten Zeilen zu schreiben. Ich lasse Deinen Brief auf meinem Nachtkästchen liegen, zur Erinnerung, damit ich es nicht vergesse.

1. Tagebucheintrag (21. Oktober)

Seit gestern bin ich nicht mehr allein in meinem Zimmer. Eine junge Frau liegt jetzt im Bett neben meinem. Wir passen gut zusammen: sprechen beide nicht. Es ist unangenehm, ich komme mir ständig beobachtet vor, liege im Bett mit geschlossenen Augen und fühle ihre neugierigen Blicke auf mir. Ich kann mich aber auch täuschen: sobald ich die Augen öffne, blickt sie ganz woanders hin oder hat ebenfalls die Augen geschlossen. Bis jetzt weiß ich nur ihren Namen: Claudia Werben. Habe ihre Stimme kaum gehört. Sie wirkt sehr verzweifelt, aber wer ist das nicht in dieser Klinik, vor allem in dieser Abteilung. Geschlossen. Eingeschlossen. Verschlossen. Im Gefängnis der Gefühle. Umschlossen von düsteren Gedanken, die unsere Worte festhalten und nicht loslassen wollen, nicht durchdringen lassen wollen an die Oberfläche um gehört zu werden, verstanden zu werden, bewertet zu werden, gewichtet zu werden.

2. Tagebucheintrag (22. Oktober)

Claudia hat mich zum ersten Mal angesprochen, nach einer Woche. Sie wollte das gerahmte Foto auf meinem Nachtkästchen anschauen, das Bild von Karl und Bettina. Stumm habe ich es ihr gereicht. Lange und sehr aufmerksam hatte sie es angeschaut, ehe sie mir das Bild zurückreichte und leise „Danke“ murmelte. Sie wühlte plötzlich in ihrer Tasche und zog etwas in einem Umschlag heraus. Neugierig geworden beobachtete ich sie weiter: Behutsam entnahm sie dem Umschlag ein Ultraschallbild, das sie mir zögernd reichte. Stumm blickte ich darauf, um irgendetwas erkennen zu können. Es wirkte sehr verwirrend. Claudia legte einen Finger an eine dunkle Stelle und flüsterte kaum vernehmbar: „Mein Kind, mein Junge.“ Der Schmerz dieser jungen Frau fuhr wie ein Messerstich in mein Inneres, mein Interesse war geweckt. Fragend sah ich sie an und dann wieder auf das Bild. Wo ist ihr Kind?, dachte ich, wagte aber nicht danach zu fragen.
Als hätte Claudia meine Gedanken erraten, antwortete sie mir. „Abgetrieben.“ Ein Wort, das wie ein Faustschlag einschlug.
Ehe ich etwas sagen konnte, riss sie mir das Bild aus der Hand und sperrte sich in der Toilette ein. Die Wirkung dieses Wortes breitete sich im Zimmer aus wie wie dunkler Rauch, nahm mir den Atem. Ich verließ das Zimmer und schloss auffallend laut die Tür, um ihr ein Zeichen zu geben. Du kannst wieder herauskommen, ich werde dich nicht mit Fragen belästigen, vor denen Du Dich fürchtest.
Auf dem Gang lief mir ein Arzt über den Weg, der sehr erfreut darüber war, so sagte er jedenfalls, dass ich nun schon in der Lage sei, allein das Zimmer zu verlassen. Ein Schritt auf dem Wege zur Gesundung.
Er hatte keine Ahnung. Ich bin geflohen vor dem fremden Schmerz, der sich mit meinem Schmerz verbünden wollte.

 

Tonne (3)

21 Samstag Okt 2017

Posted by josephinesonnenschein in Allgemein, Belletristik, Gedanken, Literatur

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Schlagwörter

Depression, Foto, Freude, Freundschaft, Hund, Leben, Liebe, Tod, Trauer

Fortsetzungsgeschichte

Hinweis an die Leserinnen und Leser: Bei dem Text „Tonne“ handelt es sich um eine Erzählung, deren Inhalt frei erfunden ist. Ich habe sie vor einiger Zeit geschrieben und werde sie nun in einzelnen Teilen vorstellen.

Reaktion der Leute auf Karls Behinderung

Wie hatten sich die Leute das Maul zerrissen, als sie allmählich merkten wie es um des Pfarrers Sohn bestellt war: Er war einfach anders als die anderen. Im Kindergarten fiel das nicht so deutlich auf, aber in der Grundschule traten massive Probleme auf: Karl war einfach überfordert, an der falschen Schule. Ihrem Mann wurde es allmählich peinlich, dass er, der angesehene Pfarrer, einen behinderten Sohn hatte, der keinerlei Rücksicht nahm auf den Ruf des Vaters. Aber ihr Mann liebte ihn, trotz der Schwierigkeiten, sie fühlte das, während sie ihn nicht so annehmen konnte wie er war, so sehr sie sich auch Mühe gab. Es gab Momente, da verabscheute sie sich selbst: Eine Mutter, die ihr eigenes Kind nicht liebte? Noch dazu die Frau eines Pfarrers. Aber war Karl wirklich ihr eigenes Kind? War er ihr nicht aufgezwungen worden von einem Fremden, der sie gewalttätig überfallen hatte, an jenem Abend, der in ihren Träumen immer wieder auftauchte, jener Abend, der ihr zum Schicksal geworden war?
Wie hatte sie sich geschämt, wie war sie verzweifelt gewesen, dass ausgerechnet ihr das passieren musste: Eine Vergewaltigung. Welch harmloses Wort im Vergleich zur grausamen Realität. Hilflos ausgeliefert zu sein, trotz heftigster Abwehr zu unterliegen, fremde Gewalt ertragen zu müssen, sie auszuhalten und danach wieder aufzustehen und so völlig allein zu sein, getrennt von allen anderen, mit keinem darüber reden zu können. Das war das Schlimmste. Heimkommen und den Augenblick verpasst zu haben, den richtigen Augenblick, darüber zu berichten, die Polizei einzuschalten, den Täter zu verfolgen. Sie dachte an ihren Mann, der sie vielleicht nicht mehr lieben würde, der ihr vielleicht sogar die Schuld geben würde und dann – die Polizei einschalten, mit all den unangenehmen Fragen? Das Gerede der Leute aushalten müssen, ihr Mann wäre dem ebenso ausgesetzt, in seiner Pfarrei, ihr Mann, der täglich mit vie-len Menschen zusammentraf, wie hätte er sie vor dem Gerede und Getuschel, den Vermutungen schützen können? Nein. Niemand sollte davon erfahren. Sie wollte alleine damit fertig werden und hoffte nur eines: nicht schwanger geworden zu sein von jenem Mann, den sie abgrundtief hasste, denn auch ein Kind von ihm, dem Unbekannten, würde sie nicht lieben können. Sie wusste es damals schon.
Abtreibung? Sicher, daran hatte sie im ersten Moment auch gedacht, aber der Respekt vor dem ungeborenen Leben verbot ihr den Gedanken weiter zu denken, in ihn die Tat umzusetzen.
Ein banges Warten begann ehe sie die Gewissheit hatte: Sie erwartete ein Kind. Ihr Mann war überglücklich, ahnte er doch nichts von ihren geheimen Befürchtungen: Wer war der wirkliche Vater? Sie versuchte sich zufrieden zu geben, hoffte immer noch, ihr Mann sei der tatsächliche Vater. An anderen Tagen war sie davon überzeugt, dass die Geburt alles an den Tag bringen würde: das Aussehen des Kindes würde Rätsel aufgeben und sie verdächtigen, einen Seitensprung begangen zu haben. Die untreue Ehefrau oder die vergewaltigte, egal, ihre Ehe wäre zerstört, das Vertrauen verschwunden.

„Wo hast du Bettina gesehen?“, erkundigte sich Karls Vater behutsam. „Auf dem Spielplatz.“ Absolut sicher antwortete Karl. „Auf dem Spielplatz?“ Karl nickte bestätigend und schob sein Bild wieder ein.

Reaktion des Vaters auf seinen Sohn, als er wieder von Bettina spricht

Karl, sein Sohn. Der Pfarrer sah ihn wehmütig an. Er hätte sich auch einen anderen Sohn gewünscht. Sicher. Aber nur vor sich selbst, in seinen geheimsten Gedanken gab er diesen Wunsch zu, niemals vor seiner Frau, die deutlich mehr litt, als er selbst. Karl, der hübsche Kerl, der sich so merkwürdig verhielt, der sich weigerte, sich anständig anzuziehen, der daherkam wie ein Obdachloser, obwohl doch jeder in seiner Nachbarschaft wusste, wie gepflegt es im Pfarrhaus zuging. Karl, den jeglicher Müll faszinierte, aus unerklärlichen Gründen. Karl, der sich sträubte und wehrte, wenn man ihn zärtlich umarmen wollte. Was war los mit diesem Jungen? Äußerlich und vom Alter her ein junger Mann, in seinem Gemüt ein Kind. Trotzdem, er hatte ihn angenommen. Er als Pfarrer sah hier eine Gelegenheit, den Leuten zu beweisen, wie gelebtes Christentum aussah. Liebe deinen Nächsten, liebe deinen Sohn. Er tat es, er versuchte es, auch wenn es nicht immer gelang und er mit Gott haderte in einsamen Nächten, die er rasch vergessen wollte.
Wie hatte er dagegen sein kleines Mädchen geliebt, von der ersten Sekunde seines Lebens an. Unbeschreiblich war dieses Glück, ein gesundes Kind haben zu dürfen. Sein Sonnenschein, der jetzt sein Engel geworden war, nach diesem schrecklichen Unfall, vor nun vier Jahren. Alle schienen so glücklich gewesen zu sein, auch seiner Frau gelang es besser, ihren Sohn Karl mit seinen Eigenheiten anzunehmen, noch dazu, als sich herausstellte, dass die kleine Schwester so an Karl hing und dieser sich rührend um sie kümmerte, ja geradezu aufzublühen begann und sie schon zu hoffen wagten, Karl würde sich endlich weiter entwickeln, seinem Alter gemäß.
Fünf Jahre währte dieses Glück ehe es brutal zerbrach.
Kurze Zeit nach dem tödlichen Unfall hatte er sich um eine Stelle als Krankenhauspfarrer beworben. Er kümmerte sich nun um Menschen im Krankenhaus und um die Bewohner des Altenheimes.
Sie waren auch umgezogen. Seine Frau hatte es nicht mehr ausgehalten, täglich auf die Stelle blicken zu müssen, an der Bettina in ihr Unglück gerannt war. Von einem Stadtviertel in das andere, er hatte auf das Pfarrhaus verzichtet, es seinem Nachfolger überlassen, war letztlich auch froh, in einem anderen Stadtteil zu wohnen. Hier war sein Unglück nicht mehr täglich gegenwärtig, nicht nach außen sichtbar. Gewiss, er dachte jeden Tag daran, bestimmt auch seine Frau, obwohl sie nie miteinander darüber sprachen. Unausgesprochene Vorwürfe breiteten sich aus zwischen ihnen, nie gesagte, auch nicht angedeutete und trotzdem spürbar wie allerfeinste Nadelstiche.
Er hatte damals eine Panne gehabt und einen wichtigen Termin, er hatte seine Frau gebeten, ihn abzuholen, hatte nicht daran gedacht, dass sie Karl nicht allein mit Bettina zurücklassen sollte, hatte nicht geahnt, wie gefährlich das sein könnte.
Alles war zu schnell gegangen. Schicksal? Er suchte Trost in seinem Glauben, einen Trost, den er seiner Frau nicht vermitteln konnte. Sie war nicht bereit, das Unglück anzunehmen, versank zunehmend in Bitterkeit und Depression. Er befürchtete an manchen Tagen sogar, sie könnte sich etwas antun, oder auch Karl, den anzunehmen ihr immer schwerer fiel.

Trotz des Wohnungswechsels hatte Karl keine Schwierigkeiten, seinen üblichen Weg zu gehen: Zum Spielplatz und zurück, am Morgen, wo er sich allerdings am Nachmittag herumtrieb, war nicht aus ihm herauszubringen. Manchmal begegneten sie sich unerwartet, vor dem Supermarkt oder auch auf dem Friedhof. Während er versuchte mit Karl zu sprechen, tat dieser so, als wäre er ein Unbekannter, ignorierte ihn einfach, im Gegensatz zu Tonne, der ihn stets stürmisch begrüßte.
Er hatte es aufgegeben, sich um Karl unnötige Sorgen zu machen, er fühlte immer mehr eine innere Gewissheit, die ihm das Gefühl gab, dass sein Sohn gut beschützt würde, irgendwie vertraute er auf sein Gefühl und sein Sohn fand stets wieder zurück, kam einigermaßen pünktlich zum Essen, der Hunger trieb ihn heim und sein prall gefüllter Müllsack, gefüllt mit seinen Schätzen. Eigentlich war er mit so wenig zufrieden, stellte er immer wieder fest, aber er gab auch so wenig, schien seine Liebe nicht zu erwidern, jedenfalls nicht so, wie er sich das immer vorgestellt hatte. Liebender Vater, liebender Sohn, Zeit für gemeinsame Spiele, Zeit für Gespräche …

Karl erinnert sich an Bettina

Vorsichtig nahm Karl die Steine in die Hand, er prüfte sie und rieb den Schmutz an seinen Hosenbeinen ab, hielt sie abwägend in der Hand, strich behutsam darüber und legte sie schließlich in eine rote Schachtel zu anderen Steinen, die alle glitzernde Stellen aufwiesen. Er war zufrieden mit der Ausbeute seiner heutigen Schatzsuche. Tastend fuhr er mit seiner rechten Hand noch einmal in den Müllsack und erspürte noch etwas Hartes, das er erstaunt herausnahm.
Er hielt einen rosaroten Stein in der Hand, der durchsichtig schimmerte und die Form eines Herzens hatte. Zärtlich hielt er ihn an seine Wange, spürte die Kühle. Bewundernd drehte und wendete er ihn. Woher hatte er diesen Stein bloß? Er konnte sich nicht erinnern, ihn aus einem Mülleimer geholt zu haben. Versunken starrte er auf den Stein, da endlich fiel es ihm wieder ein: Das fremde Mädchen. Bettina. Sein Engel. Aber das Mädchen wollte nicht Bettina genannt werden, das hatte er schon gemerkt. Melanie hieß sie, jetzt wusste er es wieder. Sie hatte ihm ein Geschenk gemacht, heute auf dem Spielplatz. Melanie. Er zerrte das Bild seiner Schwester aus der Hosentasche. Bettina oder Melanie?
Er sehnte sich so nach Bettina, nach ihrem Lachen, ihrer zärtlichen Hand, ihrer unbekümmerten Zuneigung, die auch er erwidern konnte, ohne in eine starre abwehrende Haltung zu versinken. Er suchte sie immer noch, inzwischen heimlich, denn er spürte unbewusst, wie unerträglich es für seine Eltern war, ihn bei seiner Suche nach Bettina zu ertappen. Er fühlte auch die tiefe Abneigung seiner Mutter, die ganz innen in ihr steckte, tief verborgen. Aber er hatte seine Mutter auch anders erlebt.
Zu Bettinas Zeiten. Strahlend, zufrieden, zärtlich, war sie da gewesen, auch ihm gegenüber liebevoll. Ohne innere Abneigung, das hatte er gespürt. Seine Liebe zu Bettina hatte ihm die Liebe seiner Mutter gebracht.
Aber tatsächlich war es anders gewesen: Bettina hatte seiner Mutter gezeigt wie sie ihn lieben konnte, ihn, den komischen Kerl, der von allen so misstrauisch beobachtet wurde, über dessen merkwürdiges Verhalten ständig geredet wurde. Bettina ahnte nichts davon, sie nahm ihn an, als Mensch und Bruder. Das war es, was seine Mutter dazu gebracht hatte, ihn auch anzunehmen, kurze Zeit wenigstens. Aber davon ahnte er nichts. Wusste nicht, dass sie ihm die Schuld an Bettinas Tod gab und vor allem sich selbst.
Sie hatte ihm ihr Grab gezeigt, versucht zu erklären, dass Bettina jetzt im Himmel sei, ein Engel wäre, der auf ihn heruntersehen würde, ihn ständig begleiten würde. Es hatte lange gedauert, bis er einigermaßen begriffen hatte. Tot. Das war Starre, das war Verschwinden, das war nicht mehr da sein. Die tote Maus, die er gefunden hatte, eines Tages, tot, wie Bettina. Er wollte sie näher untersuchen, wollte herausfinden, was mit ihr passieren würde. Wäre sie auch im Himmel zu finden oder würde sie ein Engel werden wie Bettina? Er konnte es nicht herausfinden. Die tote Maus war plötzlich verschwunden, nicht mehr aufzufinden. Wie Bettina.

Vierte Begegnung:  Melanies Buch über Schutzengel

Melanie wartete schon lange. Endlich sah sie Tonne herankommen, konzentriert eine fremde Spur verfolgend. Leise rief sie ihn und blitzschnell sauste er Schwanz wedelnd auf sie zu und sprang an ihr hoch. Während sie ihn streichelte, blickte sie sich suchend nach Karl um, der meist in der Nähe des Hundes war. Karl suchte Tonne, hatte ihn aus den Augen verloren und blickte sich ebenfalls suchend um. „Hier“, schrie Melanie, „hier sind wir.“ Sie winkte mit den Armen, um Karl auf sich aufmerksam zu machen. Endlich. Er kam näher, beschleunigte seine Schritte. „Na, heute schon gute Beute gemacht?“, wollte sie wissen.
Verwirrt sah Karl sie an. „Hast du heute schon einen Schatz gefunden?“, fragte sie hartnäckig weiter. Jetzt begriff Karl. Er öffnete seinen blauen Sack und ließ sie hineinschauen. Neugierig blickte sie hinein, konnte aber nichts Besonderes entdecken, lediglich ein unangenehmer Geruch stieg ihr in die Nase und schnell wandte sie den Kopf ab. Karl schleifte den Sack schon zum nächsten Papierkorb und erforschte dessen Inhalt mit den bloßen Händen. Nach kritischer Begutachtung ließ er immer wieder etwas in den Sack fallen. Melanie spielt lieber mit Tonne als im Abfall zu wühlen. Sie wollte mehr über Bettina erfahren, unbedingt. Aber Karl war ein schwieriger Kerl, nicht gefährlich, aber seltsam, merkwürdig. Er wirkte so, als ob er sie nicht richtig verstehen könnte. Warum bloß? Fragte sich Melanie immer wieder. Sie wollte es herausfinden, alles über ihn und auch über Bettina. Gespannt setzte sie sich auf eine Bank und beobachtete Karl.
„Karl, komm bitte her“, forderte sie ihn auf. „Schau, was ich hier habe.“ Sie winkte mit einem Gegenstand. Das wirkte. Karl kam zu ihr und wartete darauf, diesen genauer anschauen zu dürfen. Melanie klopfte einladend auf die Bank und Karl setzte sich. Langsam öffnete Melanie ein kleines Buch, das sie mitgebracht hatte und hielt es erwartungsvoll Karl entgegen. Karl riss es ihr aus der Hand und starrte ungläubig auf die Bilder. Sie spürte die Veränderung, die unerwartet in ihm vorging und plötzlich begann sie sich zu fürchten. Hatte sie etwas falsch gemacht?
Karl blätterte immer wieder die wenigen Seiten vor und zurück, als suchte er etwa Bestimm-tes. „Engel“, murmelte er, „Bettina.“ „Wo ist Bettina?“, fragte Melanie. „Engel im Himmel“, erwiderte Karl und warf einen flüchtigen Blick nach oben, als suchte er sie dort zwischen den Wolken. „Schutzengel“, erklärte Melanie, mit dem Zeigefinger auf das Bild eines Engels deutend, der ein Kind sicher über die Straße geleitete.
Aber Karl verfiel in düsteres Schweigen und weigerte sich mit Melanie zu sprechen.

Bettina (3)

Sie bohrt ihre nackten Zehen in den warmen Sand, gießt aus der kleinen Wasserkanne Wasser darüber und matscht den Sand mit den Händen zu einem kleinen Berg, unter dem sie ihre Zehen verstecken will. Immer wieder springt die Sanddecke auseinander. Zu trocken, stellt er fest, steht auf und holt frisches Wasser, das er in die Sandkiste schüttet, während ihre Hände eifrig den feuchten Sand glatt streichen. Hilfe, meine Füße sind weg! Und er tut so, als ob er sie verzweifelt suche, rennt im Garten herum und sucht hinter den Sträuchern, schaut in den Schuppen, hinter das Haus, blickt prüfend in die Krone des Apfelbaumes, versucht ihn sogar zu schütteln. Sie lacht und lacht, hält es endlich nicht mehr aus und stößt ihre Füße ruckartig aus dem Sandhügel in die Luft, wackelt mit den verklebten Zehen und schreit. Hier, hier sind sie, ich habe sie wieder hergezaubert. Und er tut verwundert, ganz erstaunt. Plötzlich sind die Füße wieder da, wie ist das möglich. Sie kann tatsächlich zaubern. Bettina.
Jetzt ist er dran, muss im feuchten Sand sitzen, sich begießen lassen, darf seine Füße nicht bewegen, muss stillhalten,  Bettina hat ihn verzaubert. Beschmiert ihn genussvoll mit dem feuchten Sand, schmiert ihn auf seine Wangen, die Nase, die Hände, es kitzelt, aber er muss still halten, ist verzaubert in einen Stein, ist unbeweglich. Sie betrachtet stolz ihr Werk, marschiert um ihn herum, begutachtet ihr Kunstwerk, bewegt die Hände, murmelt unverständliche Zaubersprüche, klopft ihm plötzlich auf die Schulter und ruft. Du bist erlöst, du bist wieder mein Bruder. Steh auf. Sofort. Da muss er aufspringen, so schnell wie er kann, muss ihrem Zauberspruch folgen, muss wieder der Bruder werden. So schnell, dass sie fast ein bisschen erschrickt, um sich danach umso mehr zu freuen. Bettina, die kleine Zauberin.

Enttäuscht nahm Melanie Karl das Buch aus der Hand und steckte es in ihren kleinen Rucksack zurück.
Ein helles Bellen riss Karl jäh aus seiner Gedankenwelt. Tonne stupste auffordernd seine Hand an und sprang an ihm hoch. Langsam nahm Karl wieder wahr, wo er sich befand: er war auf dem Spielplatz, das fremde Mädchen saß noch eben ihm, blickte ihn besorgt an, aber das Buch war verschwunden, kein Schutzengel war mehr zu sehen.
Er fühlte sich unendlich müde und wollte nur nach Hause, sich auf sein Bett legen, allein sein, allein mit Bettina, die ihn überallhin begleitete, auch wenn es keiner glauben wollte. Er wusste es, er fühlte ihre Nähe.
Langsam packte er seinen Müllsack, erhob sich schwerfällig von der Bank, rief Tonne zu sich und machte sich auf den Heimweg, ohne Melanie, die ihm enttäuscht nachsah, unfähig ihm hinterherzulaufen, noch eines Blickes zu würdigen.

Als sie wieder allein war, zog Melanie noch einmal das Buch aus dem Rucksack und starrte nachdenklich auf das kleine Bild, das bei Karl so unerwartete Reaktionen hervorgerufen hatte.

 

Tonne (2)

16 Montag Okt 2017

Posted by josephinesonnenschein in Allgemein, Belletristik, Erzählung, Gedanken, Literatur

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Schlagwörter

Depression, Freude, Freundschaft, Hoffnung, Hund, Kindheit, Leben, Liebe, Tod, Trauer, Verzweiflung

Fortsetzungsgeschichte

Hinweis an die Leserinnen und Leser: Bei dem Text „Tonne“ handelt es sich um eine Erzählung, deren Inhalt frei erfunden ist. Ich habe sie vor einiger Zeit geschrieben und werde sie nun in einzelnen Teilen vorstellen.

Bettina (2)

Schulter an Schulter sitzen, ihren vertrauten Duft riechen, ihrer hellen Stimme lauschen, dem ausgestreckten Finger folgen, der unermüdlich auf Bilder zeigt, mal hier, mal dort hin wandert, eine Geschichte einfordernd. Eine Geschichte von ihm, ausgerechnet von ihm, der kaum ein Wort spricht. Bettina weiß das nicht, hat keine Ahnung. Ihr Bruder ist groß, also kann er eine Geschichte erzählen, so wie alle anderen Großen. Bettina klopft ungeduldig auf die kleinen bunten Bilder, blickt ihn fragend an. Er quält sich, kennt die Bilder, sucht nach den passenden Worten, sie zu beschreiben, fördert sie mühsam an die Oberfläche, längst gehörte Worte, stottert zunächst, sieht Bettinas aufmerksame zufriedene Miene, das gibt ihm Mut und die nächsten Worte holt er mühelos aus seinem Gedächtnis, bringt sie nahezu flüssig über die Lippen. Bettina wiederholt sie andächtig. Junge. Katze. Auto. Baum. Das Staunen der Mutter über Bettinas neue Wörter. Von ihm, dem wortlosen Bruder.
An manchen Tagen fühlt er sich beobachtet, spürt die Augen seiner Mutter forschend in seinem Rücken, versteht nicht den Grund, fühlt sich unbehaglich, ohne zu wissen warum. Dann, am Abend, als Bettina ihm die Arme um den Hals schlingt, er seinen Gute-Nacht-Kuss erhält, da legt auch seine Mutter die Arme um ihn, hält ihn ganz kurz und streicht ihm über den Kopf. Flüstert: Du magst Bettina wohl sehr. Gute Nacht, schlaf gut und träum schön. Ganz warm wird es ihm, eine nie gekannte Freude breitet sich in ihm aus. Noch im Bett spürt er die Umarmung seiner Mutter, kann lange nicht einschlafen, aufgewühlt vor freudiger Erregung.

Auf den weiter entfernteren Wegen zwischen den Gräberreihen waren undeutliche Stimmen zu hören. Fremde Leute näherten sich, Melanie bückte sich rasch und untersuchte ihre Schuhe, als sie sich wieder aufrichtete, waren Karl und Tonne plötzlich verschwunden, nirgends zu entdecken. Neugierig suchte sie nun ebenfalls das Grab, das ihr mehr von Karl verraten würde.
Die blitzende Glasscherbe zeigte es ihr. Gespannt stand sie vor einem schlichten Holzkreuz, versuchte mühsam die Aufschrift zu entziffern, die verschnörkelten Buchstaben sahen so gar nicht aus wie die Buchstaben in ihrem Lesebuch.
„Bettina H.., geb. am …, gest. am…..“ Ein winziges Bild war am Kreuz befestigt und wieder erkannte sie das Mädchen, das ihr so ähnlich sah: Bettina.

Karl kommt heim

Karl öffnete das Gartentor und klingelte lange an der Tür.
„Da bist du ja endlich, wird auch Zeit.“ Kopfschüttelnd warf seine Mutter einen resignierten Blick auf die schmutzigen Schuhe ihres Sohnes, nahm Karl in seiner ganzen Gestalt wahr und wunderte sich immer aufs Neue, da stand Karl vor ihr, ihr verwirrter Sohn, der nicht in saubere Kleidung zu pressen war, so oft sie es auch schon versucht hatte.

 

Erinnerungen der Mutter an Bettina

Die Kleine hatte Karl angehimmelt, war ihm gefolgt seit sie laufen konnte, irgendetwas faszinierte das Mädchen an Karl. Die beiden verstanden sich ohne viele Worte, sprachen ihre eigene Sprache, lebten in ihrer eigenen Welt.
Nie würde sie den Tag vergessen, an dem sie Bettina Karls Aufsicht überließ. Sie musste plötzlich weg.
Karl und Bettina waren in ein Spiel versunken, sie hoffte rasch zurückzukommen, dachte es könne nichts passieren. In ihrer Eile hatte sie vergessen, dass es der Tag der Müllabfuhr war. Müll übte auf Karl eine unerklärliche Faszination aus, Müll zog ihn magnetisch an. Vergessen. Wie konnte sie das vergessen?

Tonne sprang an ihr hoch und wollte gestreichelt werden, erwartete ein Wort zur Begrüßung.
Tonne, wie hatte sie diesen Hund gehasst, heute ist ihr das unvorstellbar. Tonne war wirklich unschuldig, während sie, die mit Verstand begabt war, versagt hatte. Sie und Karl, aber auch Karl war unschuldig. Das große Kind, dessen Gedankengänge niemand nachvollziehen konnte, Karl, der nie erwachsen werden würde, ihn traf keine Schuld, auch wenn sie ihn damals angeschrien hatte in ihrer Verzweiflung, warum er nicht aufgepasst hätte, sollte er ihr sagen.
Karl, der Bettina ebenso verzweifelt gesucht hatte, überall im ganzen Haus, Karl, der sie immer noch sucht, der neuerdings wieder von ihr spricht, von Bettina, seinem Engel, dem er begegnet sei, vor wenigen Tagen erst.

Eines hatte sie erzwungen: Karl musste sich stets umziehen und sich säubern, bevor er sich zu ihnen an den Tisch setzte, zum gemeinsamen Essen. Ihr Mann hatte angerufen, er würde erst viel später kommen, war aufgehalten worden, war ins Krankenhaus gerufen worden.
Schweigend füllte sie Karls Teller mit Bratkartoffeln und Spiegeleiern, stellte die Schüssel mit Salat in seine Reichweite und setzte sich an den Tisch, ihn aufmerksam beobachtend.

Irgendwie schien er ihr verändert. Seit Tagen schon spürte sie diese Veränderung, ohne sie konkret beschreiben zu können. Unruhe hatte sie wieder erfasst, die Nächte wurden zur Qual, Gedanken bedrängten sie unablässig, raubten ihr den Schlaf, führten ihr Bilder vor, die sie längst vergessen glaubte, machten ihr deutlich, wie einsam sie war, obwohl neben ihr die gleichmäßigen Atemzüge ihres Mannes die Nähe eines Menschen verrieten.
Wochenlang litt sie damals unter ihrer Schlaflosigkeit, zwang sich täglich am Morgen aufzustehen, obwohl sie sich zerschlagen fühlte und ganz wirr war im Kopf von all den Gedanken und Bildern, denen sie in der Nacht begegnet ausgesetzt war.
Täglich aufs Neue das Frühstück richten, Karl und ihren Mann versorgen, der die beiden dann allein zurückließ, sie ihrem Schweigen überließ, sich um die Sorgen und Nöte fremder Menschen kümmerte, während sein Sohn und seine Frau gefangen waren in ihren eigenen Nöten.

Karls Tagesablauf

Karls Tagesablauf hatte seine besondere Regelung: Nach dem Frühstück drehte er eine Runde mit Tonne, dabei ging er immer die gleiche Tour: den Weg zum Spielplatz und zurück. Sie wusste, dass er immer seine blaue Tüte dabei hatte, für seine Schätze, wie er die gesammelten Abfälle nannte.
Wieder zurück verschwand er in dem Schuppen hinter dem Haus oder in seinem Zimmer, untersuchte seine Beute und begann sie zu ordnen, nach eigenen Maßstäben, die ihr fremd und merkwürdig erschienen. Er kippte alles auf einen Teppich, der immer mehr Spuren seiner Schätze aufwies, nahm seine Fundsachen prüfend in die Hand, putzte und wischte daran herum, ehe er sie sorgfältig in kleine Schachteln steckte, die sie ihm nach und nach besorgt hatte. Er hatte es auch zugelassen, dass sie gemeinsam die Schachteln bemalten, die er nun an der Wand entlang stapelte.
Heimlich kontrollierte sie inzwischen die Schachteln nachdem Karl einmal eine tote Maus darin versteckt hatte, eingewickelt in gelbes Seidenpapier. Der widerliche Geruch, den das tote Tier verströmte und von dem sie erst nicht wusste, worauf er zurückzuführen war, ließ sie zu Vorsichtsmaßnahmen greifen. Sie sah sich gezwungen dazu, obwohl sie gewiss nicht vorhatte, ihren Sohn auszuspionieren. Aber tote Tiere, das ging zu weit.

Während Karl in seinem Zimmer beschäftigt war, kümmerte sie sich um den Haushalt, sie konnte sicher sein, nicht gestört zu werden.
Zum Mittagessen saßen sie meist gemeinsam am Tisch, Tonne lag unter dem Tisch, stets auf Leckerbissen hoffend, die Karl heimlich fallen ließ, trotz der warnenden Blicke, die ihm sein Vater zuwarf. Schweigen herrschte zwischen den Menschen, zog konzentrische Kreise um die Anwesenden, von denen jeder versunken schien in seine eigene Welt. Das fordernde Bellen des Hundes ließ sie zusammenfahren, brachte sie wieder zurück in ihre gemeinsame Welt. Wie aus einem Traum erwachend blickten sie sich dann verlegen an und versuchten, mit Hilfe von mühsam herausgewürgten Worten die verloren gegangene Nähe wieder herzustellen. Aber sie war nie da gewesen, diese Nähe, die jeder sich ersehnte, konnte deshalb nicht wieder gewonnen werden, müsste erst entstehen, wachsen.
„Bettina“, murmelte Karl. Die Frau und der Mann warfen erschrocken die Köpfe hoch, blickten sich vielsagend an: Es wird doch nicht wieder losgehen, Karls Suche nach Bettina?

Karls Verhalten nach Bettinas Tod (aus der Sicht der Mutter)

Schreiend war Karl durch das Haus gelaufen, hatte in allen Winkeln gesucht, alle Möbel verschoben, das Bettzeug herausgerissen, die Gardinen von den Schienen gezerrt, die Schränke durchwühlt, immer schreiend, „Bettina“, schluchzend, nach Stunden nur noch heiser den Namen flüsternd, bis ihn schließlich ein Arzt mit Hilfe einer Beruhigungsspritze in einen unruhigen Schlaf taumeln ließ.
Und dann auch noch Tonne, das Hundebaby, jammernd, winselnd, hilflos, das am Boden mehr kroch als rannte, überall Pfützen hinterlassend, in die Karl trampelte in seiner Fassungslosigkeit.
Bettina, unser kleiner Sonnenschein, Bettina, die uns verlassen hatte, war ihrem Bruder, den sie so liebte, nachgelaufen. vertrauensvoll.
Karl, um den sie sich stets sorgte, sobald er allein unterwegs war, Karl, der Zerstreute, er hatte überlebt, schien auf seinen Gängen stets zuverlässig von einem Schutzengel beschützt zu werden, Karl ihr Sorgenkind lebte.

Karl wiederholte es noch einmal: „Bettina ist wieder da.“ Diesmal ganz deutlich. Er zog das kleine Bild aus seiner Hosentasche und legte es auf den Küchentisch: „Bettina ist wieder da.“
War das ein Rückfall? Verzweifelt blickten sich der Mann und die Frau an. Mühsam hatten sie versucht, ihm klar zu machen, dass Bettina nicht mehr unter ihnen war. Waren mit ihm auf den Friedhof gegangen, hatten ihm erklärt, dass sie hier ruhte und dass es ihr nun gut ginge. Aber Karl wollte oder konnte das nicht verstehen, begann wie ein Irrer in der Erde zu wühlen, riss Pflanzen heraus, die Leute begannen sich zu beschweren, der Friedhofswärter sprach sie an, mit Rücksicht auf die anderen, die hier ruhten und deren Angehörigen, sie müssten doch verstehen, die wollten nicht in ihrer stillen Andacht gestört werden durch einen der schrie und tobte, auch wenn es ein Ausdruck der Trauer war, aber alles musste doch ruhig, gefasst vor sich gehen. Gewiss, er hätte Verständnis, beteuerte er mehrmals, aber, wie gesagt, die Friedhofbesucher waren da anderer Ansicht, auch wenn es sich um den Sohn des Pfarrers handelte, alles musste seine Ordnung haben. Sie hatte schon verstanden: Karl war ein öffentliches Ärgernis.

Zu spät – trop tard

15 Mittwoch Jun 2016

Posted by josephinesonnenschein in Allgemein, Belletristik, Gedanken, Kurzgeschichte, Literatur

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Ausdruck, Bretagne, Briefe, Erfahrung, Erinnerung, Frankreich, Freude, Freundschaft, Gefühle, Künstler, Maler, Phantasie, Reise, Trauer

Seit Stunden saß sie nun schon im Zug, das Gesicht an die kühle Fensterscheibe gepresst, mit offenen Augen in das Dunkel der Nacht hinausstarrend, ohne mehr zu erkennen als ab und zu einen Lichtschimmer, weit weg. Vergeblich versuchte sie ihre Gedanken zu ordnen, sich zu beruhigen, aber ohne Erfolg. Immer wieder befühlte sie das Stückchen Papier, das ihre Finger nicht mehr losließen als wäre es ihr Rettungsanker. Dabei war es doch gerade umgekehrt, die mühsam gekritzelten Zeilen, kaum leserlich, in fremder Sprache, waren an sie gerichtet, voll Verzweiflung und doch auch voll Hoffnung. Sie selbst fühlte sich aufgefordert zu helfen und sie hatte ihn sofort gespürt, diesen stummen Hilferuf, der sie aufwühlte und zu entscheiden zwang. Sie hatte eine Entscheidung getroffen mit so ungewohnter Entschlossenheit, dass sie sich selbst darüber gewundert hatte. Keiner hatte sie zurückgehalten. Allmählich fürchtete sie sich vor ihrem eigenen Entschluss. Wenn sie sich nun getäuscht hatte? Wenn sie zu spät kam? Ihre Finger strichen über das Papier und sie dachte an die ersten Briefe, die sie von ihm erhalten hatte. Eng beschrieben, mehrere Seiten lang. Erschöpft schloss sie die Augen und wehrte sich nicht mehr gegen die Bilder, die auf sie eindrangen.

Ihre erste Begegnung mit ihm, ihren Monsieur wie sie ihn liebevoll nannte, lag nun schon drei Jahrzehnte zurück, aber sie konnte sich fast an alle Einzelheiten erinnern, nur seine Stimme, die konnte sie nicht mehr hören, so sehr sie es auch versuchte, die Stimme blieb ihr verloren, aber seine Worte konnte sie in den Briefen nachlesen, die regelmäßig eintrafen. Oft wurde sie belächelt, nicht verstanden. Der, der ihr so treu schrieb, war nämlich schon alt, für viele zu alt, um einem jungen Mädchen, das sie damals noch war, so unermüdlich zu schreiben. Ihm aber verdankte sie ihre Liebe zu einem Land, dessen Sprache sie faszinierte und dessen Menschen sie begeisterten, seit sie deren Wärme gespürt hatte.
Frankreich. Sie fühlte sich diesem Land zugehörig, genoss die heitere Umgangsweise der Menschen miteinander, ihre sprühende Herzlichkeit. Nie würde sie ganz dazugehören, sie wusste es und trotzdem tat es ein bisschen weh. Ein Schmerz, den sie nicht erklären konnte, ein Traum, der sich nie erfüllen würde und den sie trotzdem träumte, in allen Farben sich ausmalte an einsamen Orten, den sie sorgfältig wegpackte, in ihr Herz versenkte, um ihn vor anderen zu schützen.

Heute lässt sie ihren Traum von damals nur noch selten an die Oberfläche kommen, lächelt müde über ihn, staubt ihn vorsichtig ab, aber die Farben leuchten nicht mehr so überzeugend, haben ihre Kraft eingebüßt. Mit anderen Augen fährt sie inzwischen durch dieses Land, nimmt alles Hässliche und Ungute neben dem Schönen wahr, sehnt sich immer noch nach der Vergangenheit, diesem Glück, das sie beinahe sprengte, das kaum zu ertragen war, ungeteilt.

Aber da war einer, ihr Monsieur, ein Maler, ein Bretone, der ihr Glück mit ihr teilte. Sein Atelier versetzte sie in wogende Begeisterung. Hier faszinierte sie alles, zog sie magisch an, dieses bunte Chaos, das strahlte, der herbe Duft nach Farben, eine Atmosphäre, in der sie hätte leben und arbeiten können, ein Reich für sich, das sie vom ersten Moment an verzaubert hatte. Der Maler zeigte ihr seine Landschaftsbilder, seine Skizzen, seine Entwürfe, erklärte ihr Techniken, Aufteilung von Bildern. Ihre Bewunderung wuchs, benutzte dieser Maler nur seinen linken Arm, erwähnte den Verlust seines rechten Armes jedoch mit keinem Wort.  Nie wagte sie ihn darüber zu befragen.

1916, 17 octobre – Sous-lieutnant de réserve, il est blessé sur front de la Somme et amputé du bras droit.
1916, 17. Oktober – Unter-Lieutnant der Reserve wurde an der Front an der Somme verletzt und sein rechter Arm wurde amputiert.

Erst Jahre später erfuhr sie, dass er diesen Arm im Krieg verloren hatte und somit verlor er auch den Traum vom Leben als Bildhauer, der er gerne geworden wäre. Auch darüber hatte er in seinen Briefen nie geschrieben, wohl aber von seiner Malerei. Als ob er es geahnt hätte, damals schon, lange vor ihr, dass auch sie sich mit Malerei beschäftigen werde. Jahre später.

Nun, lange Zeit danach erfährt sie aus seinen Briefen wie Bilder gelingen können, wie wichtig deren Aufbau ist. Jetzt, da sie nicht mehr mit ihm sprechen kann, jetzt könnte sie ihm ihre Bilder zeigen, ihn um seinen Rat, seine Meinung bitten, aber jetzt ist es nicht mehr möglich.

Wie oft hatte sie ihm aus Urlauborten geschrieben, wie oft daran gedacht, ihn einmal zu besuchen? Sie wusste es nicht mehr. Oft vergingen Wochen, ja Monate zwischen den Briefen, oft waren diese kurz, denn immer häufiger wurde er krank. Seine Hand zitterte stark, die Schrift wurde unleserlich und sie hatte Schwierigkeiten, die Wörter zu entziffern. Der Tod seiner Frau traf ihn hart, nun war er ganz allein, aber er schaffte es noch jahrelang, sich und seine Wohnung zu versorgen. Mit dem Tod seiner Frau beschloss er seine Malerei zu beenden.

1973, 13 aout – Décès de son épouse. Il décide d’arreter de peindre.
1973, 13. August – Tod seiner Ehefrau. Er beschließt, mit dem Malen aufzuhören.

Über seine Frau wusste sie kaum etwas, wohl hatte sie sie manchmal gesehen, aber wahrscheinlich war sie schon damals krank gewesen, denn immer war er es gewesen, den sie auf der Straße traf, die Einkaufstasche im Arm. Comment vas-tu? Ca va. Ihre Begrüßung, unkompliziert, freundlich. Wie seine Frau über ihren Briefwechsel dachte wusste sie nicht, nie schrieb er darüber ein Wort.

Les fleurs du mal. Das kleine Büchlein kam eines Tages mit der Post, völlig unerwartet, mit persönlicher Widmung. Sie versuchte es zu lesen, mehrmals, aber ihre Sprachkenntnisse waren inzwischen zu gering, nur mühsam konnte sie einiges verstehen. Die Übersetzung ins Deutsche sah sie vor Wochen in einem Buchladen, sie wird sie sich kaufen. Les fleurs du mal, in letzter Sekunde hatte sie den dünnen Band und die Mappe mit seinen Briefen noch eingesteckt, um wenigstens einen kleinen Halt zu finden auf der langen Reise, die kein Ende zu nehmen schien. Obwohl das Geräusch des Zuges in ihren Ohren sich eingenistet hatte, blieb das Gefühl, nicht von der Stelle zu kommen.
Sie schloss die Augen und schlug das dünne Buch an einer beliebigen Stelle auf, dann öffnete sie die Augen wieder und starrte auf die aufgeschlagene Seite, versuchte die Zeilen zu lesen und auch deren Bedeutung zu verstehen.
Leider war ihr Französisch nicht mehr so gut wie zu den Zeiten als sie Bekanntschaft mit ihrem Maler geschlossen hatte. Nur wenig konnte sie verstehen. Ma Douleur – mein Schmerz, ja das fand sie zutreffend und ließ die Seite aufgeschlagen.

RECUEILLEMENT
Sois sage, ô ma Douleur, et tiens-toi plus tranquille,
Tu réclamais le Soir; il descend; le voici:
Une atmosphère obscure enveloppe la ville,
Aux uns portant la paix, aux autres le souci.
SAMMLUNG
Sei still, mein Schmerz, du musst nun leiser klagen,
Den Abend riefst du, sieh, er kam zu dir, 
Hat um die Stadt sein weiches Tuch geschlagen
Und brachte Frieden dort und Kummer hier.

Der Strom der Zeit floss immer schneller. Ihrem Monsieur berichtete sie von ihrem Leben, der Heirat und später von der Geburt ihrer Kinder. Er schickte Karten, Glückwünsche und weiterhin Briefe. Sein Alltag wurde immer mühsamer, seine Krankheit schritt fort. Sie merkte es an der zunehmenden Unleserlichkeit seiner Schrift und an der Kürze der Briefe. Er war einsam und fürchtete sich davor, in ein Altenheim gehen zu müssen, in ein Maison de retraite wie er schrieb.
Nach mehreren Krankenhausaufenthalten erreichte sie ein Brief mit neuer Absenderadresse. Er wohnte also nicht mehr daheim. Wie sehr musste es ihn schmerzen, sein Atelier nicht mehr betreten zu können, seinen Blick nicht mehr über die kleine Stadt schweifen zu lassen, all die verwinkelten Dächer, mit ihren schmalen in den Himmel ragenden Kaminen zu sehen. Sie stellte ihn sich vor, wie er sein Atelier abschloss ehe er umsiedelte in ein Altenheim, an einem fremden Ort mit fremden Menschen. Sie hätte ihm gerne geholfen, schrieb wieder mehr Briefe, die er rasch beantwortete, als schiene er darauf gewartet zu haben.
Was er wohl dort tat, unter Fremden? Er ginge spazieren in den Gärten, schrieb er. Les fleurs du mal, nun blühten sie für ihn. Aber sie fühlte seine Einsamkeit, die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes und sie wusste, die meisten Briefe waren bereits geschrieben.  Er hatte sich nie darüber beschwert, nun dort zu sein, allein in diesem Altenheim. Dass er einen Sohn hatte, erfuhr sie erst viel später. Sie fragte sich oft, wieso er ihn nie erwähnt hatte. Sie fragte sich, wie ihr Verhältnis zueinander gewesen war. Sie würde es nie mehr erfahren.

1922, 26 novembre – Naissance de son seul enfant, Hubert de Kerouallan.
1922, 26. November – Geburt seines einzigen Kindes, Hubert der Kerouallan.

Es wurde eine lange Nacht, in der ihre Gedanken wild umherirrten, sich nicht besänftigen ließen. Für kurze Momente fiel sie in einen traumlosen Schlaf, aus dem sie immer wieder aufschreckte und sich fragte, wo sie sich befinde. Unterwegs. Sie war tatsächlich unterwegs, um ihm noch einmal zu begegnen nach so langen Jahren der Bekanntschaft, ja der respektvollen Freundschaft. Ein junges Mädchen und ein alter Mann, so hatte ihre Verbindung angefangen. Das junge Mädchen war sie in Gedanken noch und aus dem alten Mann war ein Greis geworden, aber beide fühlten sich noch miteinander verbunden. Seelenverwandte, die sie waren. Verwandte Seelen seit ihrer ersten Begegnung.

Stunden später

Ankunft in Redon. Bahnhofgeräusche und Gerüche und frischer Kaffeeduft ließen sie wieder wach werden. Stimmengemurmel, ihr geliebtes Französisch war zu hören und zu lesen. Frankreich, ein Gefühl, als ob sie daheim angekommen wäre. Ein Taxi brachte sie zum Maison de retraite, das sich an einem kleinen Ort außerhalb von Redon befand. Mit nie empfundene Angst betrat sie die Eingangshalle, fragte nach ihrem Monsieur, legte sicherheitshalber den Zettel mit seinem Namen vor die Frau an der Anmeldung. Ein erstaunter Blick begegnete ihr, freundlich, mitfühlend und da traf sie die Gewissheit mit solcher Wucht, dass ihre Stimme versagte. Trop tard – zu spät.
Sie kommen leider zu spät, Madame. Sie wurde an einen Tisch geführt, ein Stuhl wurde ihr untergeschoben und rasch eine Tasse Kaffee vor sie hingestellt. Fassungslosigkeit überfiel sie und eine grenzenlose Müdigkeit breitete sich plötzlich in ihr aus. Die lange Reise, ihr Entschluss – alles umsonst. Minuten später erschien eine Pflegerin und setzte sich ihr gegenüber. Sie begann zu sprechen, ganz langsam, behutsam, damit sie das Gesagte verstehen konnte. Es dauerte eine Weile bis sie begriff, was ihr gesagt wurde.
Gestern Abend war Monsieur friedlich eingeschlafen. Er hatte sich immer über ihre Briefe gefreut und ihr gerne geantwortet, auch wenn es ihm große Mühe bereitet hatte. Nein, sie konnte ihn nicht mehr sehen, er befand sich bereits an einem anderen Ort, für die Bestattung werde schon alles vorbereitet, in der Stadt, deren Ehrenbürger er gewesen sei. Man könne ihr, falls sie das möchte eine Übernachtungsmöglichkeit organisieren, in einem kleinen Hotel am Ort. Sie nickte. Merci. Merci beaucoup.

1984, 17 août – Décès d’Yves de Kerouallan à Redon.
1984, 17. August – Tod von Yves de Kerouallan in Redon.

Pendant que des mortels la multitude vile,
Sous le fouet du Plaisir, ce bourreau sans merci,
Va cueillir des remords dans la fête servile,
Ma Douleur, donne-moi la main; viens par ici,

Lass nun die Menge sich bei Festgelagen,
Gepeitscht von ihrem Henkersknecht, der Gier,
Den bittren Ekel und die Scham erjagen,
Gib mir die Hand, mein Schmerz, und komm mit mir.

Sie lag in einem fremden Bett, alles um sie erschien ihr plötzlich so fremd und abweisend. Sie vermisste das tröstliche Gefühl angekommen zu sein. Zu lange lag die Zeit zurück, die Zeit, in der sie dieses unbeschreibliche Glücksgefühl verspürt hatte, daheim zu sein in diesem fremden Land, in dieser fremden Sprache. Trop tard – zu spät. Diese Worte lähmten sie. Sie hatte es nicht geschafft, rechtzeitig zu kommen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, sie das Mädchen von früher – allen seinen Freunden unbekannt, sie aus dem fernen Deutschland, unsichtbar, unscheinbar für alle, die mit ihm zu tun hatten, nein, das stimmte so nicht ganz, die Pflegerin wusste von ihrer Existenz, wusste von ihren Briefen und seiner Reaktion auf sie. Er hatte sich immer sehr über die Briefe gefreut. Wenigstens das hatte sie erreicht, ein wenig Freude in seinen tristen Alltag zu bringen. Plötzlich ließ sie ein Kälteschauer erzittern. So furchtbar kalt war ihr, so aufgewühlt ihre Seele, die nun ihren Partner verloren hatte. Wie ein Embryo rollte sie sich in die kalten Kissen, zog alle umliegenden Kleidungsstücke über ihren Körper, sehnte sich nach ein bisschen Wärme, hoffte endlich einschlafen zu können, der Wirklichkeit entfliehen zu können.

Loin d’eux. Vois se pencher
les défuntes Années,
Sur les balcons du ciel,
en robes surannées;
Surgir du fond des eaux le
Regret souriant;

Fern, fern wir zwei. – Siehst du
der Jahre Reigen
Sich im verblichnen Kleid vom
Himmel neigen,
Die Reu‘, die lächelnd in der Tiefe wacht?

Durch ein Klopfen an der Tür wurde sie am nächsten Morgen aus einem unruhigen Schlaf geweckt. Sie verstand die fremde Stimme erst nicht. Französische Worte drangen an ihr Ohr. Endlich verstand sie, sie wurde danach gefragt, ob sie und wann sie frühstücken wollte. Nach einem kurzen Blick auf ihre Uhr nannte sie irgendeine Zeit, 9 Uhr dreißig. Die fremde Stimme bat sie um diese Zeit in den Speisesaal zu kommen und verschwand vor der Tür. Sie atmete auf, hatte Zeit gewonnen, Zeit um zu überlegen, was sie nun tun sollte. Sie warf einen Blick auf die aufgeschlagene Seite des kleinen Bandes Les fleurs du mal. Gestern hatte sie noch darin gelesen, es jedenfalls versucht und nun erst – auf einmal, begann sie das Ungeheuerliche langsam zu begreifen: Ihr Monsieur war tot, sie war einen Tag zu spät gekommen. Einen Tag – sie hatte die letzte Chance verpasst, ihm noch einmal zu begegnen. Zu spät war sie zurückgekehrt – trop tard.

Le Soleil moribond
s’endormir sous une arche,
Et, comme un long linceul
traînant à l’Orient,
Entends, ma chère, entends l
a douce Nuit qui marche.

Die Sonne stirbt dort unterm
Brückenbogen,
Und wie ein Bahrtuch kommt’s
von Ost gezogen,
Horch! Hörst du ihn, mein Schmerz,
den Schritt der Nacht?

Nach dem Frühstück packte sie ihre wenigen Sachen in die alte Reisetasche, die schon auf vielen Reisen ihr Begleiter gewesen war, beglich die Hotelrechnung, bat anschließend die freundliche Dame an der Rezeption des Hotels ihr ein Taxi zu rufen, das sie zum Bahnhof bringen sollte. Die Rückfahrkarte hatte sie schon zu Hause gekauft.

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Meine Erzählung – eine Hommage an den französischen Maler
Yves de Kerouallan (1895 – 1984)

Die Erzählung beruht auf einer wahren Begebenheit: Den Maler Yves de Kerouallan hatte ich während eines Schüleraustausches in Redon, einer kleinen Stadt in der Bretagne kennen gelernt. Damals begann ein intensiver Briefwechsel zwischen dem Maler und mir, der so lange währte bis ich einen Brief in einer fremden Schrift erhielt: Die Nachricht über seinen Tod, verfasst von einer Schwester aus dem Altenheim.

Oft hatte ich mir gewünscht, meinen Monsieur, wie ich ihn liebevoll nannte, den ich sehr verehre und mit großem Respekt und Bewunderung begegnet bin, noch einmal besuchen zu können. Leider habe ich es nicht mehr geschafft.

Im Jahr 2011 fand eine Ausstellung seiner Bilder im Museum von Pont-Aven statt:

Yves de Kerouallan (1895 – 1984)
Ombres et Lumières en Bretagne
(Schatten und Licht in der Bretagne)

Pont-Aven

http://www.ouest-france.fr/pont-aven-met-en-lumiere-kerouallan-le-discret-3606

Durch einen glücklichen Zufall entdeckte ich im Internet diese Ausstellung mit seinen Bildern. Ich schrieb an das Museum, schilderte meine Brieffreundschaft mit dem Maler und bat um einen Katalog mit seinen Bildern. Es erschien mir wie ein Wunder als ich tatsächlich einen Katalog über die Ausstellung zugeschickt bekam.
Auf diese Weise konnte ich nach vielen Jahren zum ersten Mal das Werk meines Malers bewundern und seine vielfältigen Bilder betrachten, die mich faszinierten und überraschten. Ich hatte ja keine Ahnung davon, dass er in der Bretagne berühmt war und zahlreiche Werke in unterschiedlichen Techniken gemalt hatte. Gleichzeitig erfuhr ich vieles über sein Leben, über das wir in unseren Briefen nie gesprochen haben. Über die Begegnung und langjährige Freundschaft mit diesem wunderbaren Menschen bin ich dem Schicksal auch heute noch überaus dankbar.

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Das Gedicht SAMMLUNG – RECUEILLEMENT entstammt dem Gedichtband „Les fleurs du mal – choix de poèmes“ von Charles Baudelaire. Die Übersetzung ist nachzulesen unter http://gutenberg.spiegel.de/buch/-1363/1

Die zitierten Zeilen über das Leben des Malers stammen aus dem Katalog, der anlässlich der Ausstellung in Pont-Aven erschienen war.

Wish you were here – Kapitel 12

19 Dienstag Jan 2016

Posted by josephinesonnenschein in Allgemein, Belletristik, Gedanken, Literatur

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Schlagwörter

Ausdruck, Charakter, Erfahrung, Erinnerung, Gedanken, Gefühle, Schule, Tod, Trauer, Unfall

Liebe Leserinnen, lieber Leser, hier veröffentliche ich einzelne Kapitel aus meinem Buch “Wish you were here – Hilferuf einer Lehrerin“.

Kapitel 12 – Den Gang entlang (letztes Kapitel)

Am Ende des düsteren Ganges sah ich dich wartend stehen. schon ein bisschen ungeduldig. Endlich. Ich durfte die Verantwortung für kurze Zeit abgeben, du warst gekommen, um dein Projekt „Toleranz“ weiterzuführen. Nun wurde ich zum Beobachter.

Die Motivation der Schüler hatte allerdings bereits nachgelassen. Viele fühlten sich gekränkt, weil sie als einzige Klasse unserer Schule, diese Extrabetreuung erhielten. Sie fühlten sich bestärkt darin, die „schlimmste Klasse“ zu sein. Sie wollten nicht länger therapiert werden, brauchten keinen „Seelenklempner“. Vielleicht hatten sie Recht. Vielleicht schämten sie sich vor den anderen Schülern. Wie die Eltern sich zu unserem Projekt verhielten blieb ungeklärt. Die Kinder wollten es jedenfalls nicht mehr nötig haben, „behandelt“ zu werden.

Alles Vermutungen, die mir jetzt im Nachhinein durchaus denkbar erscheinen. Auch darüber hätte ich gerne noch mit dir geredet. Wish you were here.

Deine letzte Projektstunde fand ohne mich statt. Von meinem Chef erfuhr ich, du wolltest alleine mit den Kindern sein, hattest vor, später bei einer Tasse Kaffee dann noch mit mir über die Klasse sprechen.

Zugegeben, ein wenig enttäuscht war ich zunächst schon. Hatte ich doch gehofft, diesmal wäre endlich Zeit, eine Art Verhaltenstraining durchführen zu können. Endlich Praxis, statt Theorie. 

 „Was erwarten Sie sich eigentlich von Therapien? Versprechen Sie sich nicht zu viel davon.“ Mein Schulleiter

*

Es war mein freier Tag und deine letzte Stunde in dieser Klasse. Über deren Verlauf erfuhr ich nichts, weder von dir noch von meinem Schulleiter. Schließlich fragte ich bei den Kindern nach und Jürgen berichtete mir, dass du die Stunde abgebrochen hattest, weil die Klasse sich unmöglich verhalten hatte. Du warst nach Rücksprache mit dem Schulleiter einfach gegangen. Mein Chef hatte den Unterricht daraufhin übernommen.

Ich war entsetzt. Nichts hatte sich geändert. Die Schüler schwiegen teilnahmslos, niemand sprach den Ablauf dieser Stunde an.

Was damals niemand wusste: Es war deine letzte Stunde, die du an unserer Schule verbracht hattest. Tage darauf kam die schreckliche Nachricht. Motorradunfall, tödlich. Ein Sonntagsausflug ohne Rückkehr.

*

Kurz vor Acht. Ein schwerer Tag begann.

Schon auf dem Gang rannten sie mir entgegen, Michaela, Rita und Barbara, die Gesichter verweint, aufgelöst, ratlos, hilflos und ich spürte wie sich kalt die Angst in mir hoch schlich, die Angst vor dem, was ich gleich erfahren würde, ich wehrte mich innerlich, wollte nicht wissen, was ich schon wusste, meine Ahnung wurde zur grausamen Gewissheit, der verunglückte Motorradfahrer, von dem ich gehört hatte: du warst das gewesen. Gewesen, welch furchtbares Wort, gewesen, wo du doch sein solltest, hier, bei uns sein solltest. Tröstend legte ich den Arm um die fassungslosen Mädchen, verzweifelt hielten wir uns aneinander fest, stumm.

Wie sollte ich der Klasse mitteilen, was passiert war? Einige Schüler hatten es schon gehört, manche fragten nach, ob das auch stimme. Die meisten waren betroffen, nur der „harte Kern“ konnte sich keine Blöße geben und zog die trauernden Kinder ins Lächerliche.

Ich durfte das wohl nicht erwarten, aber ich tat es doch, erwarten, dass alle von deinem plötzlichen Tod berührt wurden, von dem Unbegreiflichen, dem Endgültigen, dass du nie mehr zu uns kommen wirst. Vorbei deine letzte Stunde, die du abbrechen musstest, keine Gelegenheit zur Wiederholung, keine Möglichkeit der Aufarbeitung.

Ich dachte an deine letzte Begegnung, dein letztes Gespräch mit mir und an die Tasse Kaffee, die wir zusammen trinken wollten. Wish you were here.

Wie gerne wäre ich geflüchtet, weit weg an einen verborgenen Platz, um mich der Trauer, die mir die Kehle zusammenschnürte, endlich überlassen zu können, um ungestört die Tränen weinen zu können, die ich gewaltsam zurückdrängte. Aber ich musste bleiben und – wollte ich nicht noch mehr verwundet werden – in eine Maske schlüpfen, die grausame Maske der Gleichgültigkeit. Das Versteckspiel begann.

*

Verstecken

Kann es sein, dass wir uns voreinander verstecken, um nicht verwundbar zu sein?

Können wir nicht mehr zeigen wie wir wirklich sind aus Angst getroffen zu werden?

Schützen wir uns mit Masken, die unsere wahren Gefühle verbergen?

Bauen wir Mauern aus Gleichgültigkeit, Hohn, Spott, Aggression als Schutz vor zu viel  Nähe?

*

Die letzten Tage des Schuljahres mussten noch durchgestanden werden. Für die Erstellung der Zeugnisse verbrachte ich unzählige Stunden vor dem PC, aber ich wusste auch, diese Klasse durfte ich abgeben. Bald.

Ein letztes Mal ließ ich die Gesichter meiner Schüler noch einmal auftauchen vor meinem inneren Auge, versuchte ihnen gerecht zu werden beim Schreiben der Zeugnisbemerkungen, ehe ich sie frei gab, sie los ließ, mich von ihnen verabschiedete.  Letzte Arbeiten, die noch erledigt werden mussten. Schon zählte ich die Tage, die ich noch durchhalten musste.

23. Juli. Da ist es dann passiert, einige Tage vor dem letzten Schultag. Ich verbrachte den Nachmittag in der Schule, mein Fahrrad hatte ich in der Radhalle abgestellt.

Auf dem Heimweg wollte ich unterwegs noch etwas für das Abendessen besorgen, mir eine kleine Belohnung gönnen, einen Blumenstrauß vielleicht? In Gedanken ging ich schon die Einkaufsliste durch, fuhr mit dem Rad schwungvoll über den Randstein des Bürgersteiges, sah mich suchend nach einem freien Platz um, als ich plötzlich wie ein Stein auf dem Boden aufprallte. Ein rasender Schmerz in meinem linken Knöchel trieb mir die Tränen in die Augen, automatisch wischte ich mit meiner Hand über die Augen, schmeckte etwas Salziges und gleichzeitig Süßes in meinem Mund. Verwundert betrachtete ich meine Finger, sie waren blutverschmiert und tränennass. In meinem Gesicht brannte ein höllisches Feuer.

Fremde Menschen beugten sich über mich, redeten beruhigend auf mich ein, riefen den Krankenwagen, der mich ins Krankenhaus brachte.

Stunden später stand ein Polizeibeamter vor meinem Bett, registrierte kurz mitfühlend mein plumpes Gipsbein, den unförmigen Verband in meinem Gesicht. Er lächelte mir aufmunternd zu. „Frau Marau, kaum zu glauben, aber an Ihrem Fahrrad hat jemand mutwillig Schrauben gelockert. Da wollte Ihnen jemand übel mitspielen. Haben Sie einen Verdacht?“

Alles nur Spaß, dachte ich, alles nur Spaß, und ich erzählte von dem mutwilligen Kratzer in meinem Auto, vom Hass einiger Schüler auf mich, von den Böllern im Briefkasten. Namen konnte ich keine nennen.

Aber die Polizei fragte nach, ein Beamter sprach in meiner Klasse mit den Kindern, Zeugen wurden gesucht, viele Schüler wurden befragt. Der Täter würde nie gefunden werden, das war meine Meinung, jetzt hatten sie mich also doch  noch erwischt. 

„Nehmen Sie es nicht persönlich.“ „Ich hasse Sie.“ 

Am letzten Schultag meldete sich völlig überraschend eine Zeugin. Ein Mädchen, das als sehr zurückhaltend bekannt war, das kaum mit anderen sprach, wagte es, eine Aussage zu machen.

„Ich wollte mit meiner Freundin nachmittags  zum Spielplatz. Wir trafen uns um drei Uhr vor der Radhalle. Nur wenige Räder standen da noch drin. Da hörte ich die Stimmen von mehreren Jungs. Sie flüsterten. Das kam mir irgendwie komisch vor. Ich kannte sie vom Sehen. Sie haben mich in der Pause schon oft ausgelacht, die sind ganz gemein. Vor denen fürchtete ich mich. Ich wollte am liebsten gleich verschwinden. Da sah ich, dass sie an dem roten Fahrrad von Frau Marau rummachten. Dann kam meine Freundin und wir sind schnell weggefahren.“ 

*

Nach Tagen bestätigte sich mein nie ausgesprochener Verdacht. Es war Klaus, der Schüler, von dem ich angenommen hatte, dass er mich am meisten hasste. Von der Polizei verhört gab er schließlich zu, Schrauben an meinem Fahrrad gelockert zu haben. Seine Idee war es gewesen, Freunde hatten ihn dabei unterstützt mit dem nötigen Werkzeug. Einer der Beamten fragte ihn nach dem Grund für diese Tat.

Klaus zuckte mit den Schultern und schwieg.

*

Wish you were here (Song)

How I wish, how I wish you were here.

We´re just two lost souls

Swimming in a fish bowl,

Year after year,

Running over the same old ground.

What have we found?

The same old fears.

Wish you were here.

  

Pink Floyd

 

Wish you were here – Kapitel 1

08 Freitag Jan 2016

Posted by josephinesonnenschein in Allgemein

≈ Ein Kommentar

Schlagwörter

Ausdruck, Charakter, Erfahrung, Erinnerung, Gedanken, Gefühle, Lehrer, Lehrerin, Mobbing, Schüler, Schule, Trauer

Liebe Leserinnen, lieber Leser, hier veröffentliche ich einzelne Kapitel aus meinem Buch „Wish you were here – Hilferuf einer Lehrerin„.

2q1[1]

Zum Inhalt:

An der neuen Schule sieht sich die engagierte Lehrerin Frau Marau einer überaus schwierigen Klasse gegenüber. Gewalt und Disziplinlosigkeit bestimmen den täglichen Umgang der Schüler untereinander. Alle ihre Bemühungen um ein gewaltfreies Miteinander bleiben erfolglos. Aggressive Störungen und der Widerstand ihr gegenüber nehmen von Tag zu Tag zu. Sie holt sich Hilfe bei einem Sozialpädagogen und beteiligt sich mit ihrer Klasse an seinem Projekt. Die Situation droht zu eskalieren, als das Projekt von einem tragischen Unfall überschattet wird …

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Kapitel 1 – Vorspann

“Ich habe ihr lange zureden müssen. Immer wieder habe ich gesagt: ’Du musst unbedingt zu Frau Klinter gehen und ihr sagen, dass du die Jungen an dem Tag gesehen hast. Du weißt aus welcher Klasse die sind. Das ist wichtig.’

Aber sie wollte nicht. Sie ist sehr schüchtern, wissen Sie, sie traute sich einfach nicht. Ja, mit mir redet sie schon, ich bin doch ihre Freundin. Ich habe ihr versprochen, mit zu unserer Lehrerin zu gehen.“

*

Der Vorhang fällt, vorbei dein letzter Auftritt, verklungen die letzten Töne der Musik.

Die Anwesenden verlassen langsam, mit zögernden Schritten den Saal, treten heraus aus dem Dämmerlicht, hinein in den blendenden Sonnenschein, ratlos und bestürzt die Gesichter. Mit endgültiger Gewissheit formt sich allmählich ein einziger übermächtiger Gedanke in den Gehirnen, der sich nicht mehr zurückdrängen lässt, der allen schmerzlich bewusst macht: du bist nicht mehr, du bist Erinnerung.

Die letzte Tasse Kaffee, zu der du mich einladen wolltest, wurde nie getrunken, unser letztes Gespräch konnte nicht mehr stattfinden.

How I wish, how I wish you were here.

 

 

Beinah

08 Freitag Mai 2015

Posted by josephinesonnenschein in Belletristik, Gedanken, Kurzgeschichte, Literatur

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Schlagwörter

Beinah, Erinnerung, Foto, Freundschaft, Gedanken, Gefühle, Kurzgeschichte, Kurzgeschichten, Psychologie, Tod, Trauer, Vorstellungen

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Gestern hielt ich den Hörer schon in der Hand, hatte dein Bild schon vor meinen Augen, deine Stimme im Ohr, da fiel mein Blick auf das abgegriffene zerknitterte Stückchen Papier mit deiner Adresse, da wusste ich es wieder, du warst  längst nicht mehr zu erreichen. Wie hatte ich es vergessen können? Einem Wolkenbruch gleich überströmten mich Gedanken, die so oft gedacht, irgendwo abgelegt, stets griffbereit waren. Dein Bild stand klar vor mir, zersprühend in viele Einzelbilder, jedes von besonderer Bedeutung für mich, habe ich doch nur diese Bilder von dir. Du wirst es kaum glauben, aber ich habe sie geordnet, jedes hat seinen eigenen Wert für mich. Jetzt wirst du laut lachen, wie gerne würde ich dich hören, aber ich kenne deine neue Adresse nicht.

Mein Lieblingsbild hättest du wohl gerne gewusst? Du sitzt  in einem Garten, in dem es wuchert und wächst, grün und lebendig, angehaucht schon vom Modergeruch des Herbstes, du sitzt auf einem wackligen Stuhl unter dem grünen Dach von Bäumen durch dessen lecke Stellen das Sonnenlicht warm herabtropft. Das Buch, das du damals gelesen hast, kenne ich inzwischen auch, aber es blieb uns nicht genügend Zeit, darüber zu reden. Es blieb überhaupt wenig Zeit. Irgendwo sind wir uns begegnet, an einer Wegkreuzung. Keine von uns ahnte, wo die andere herkam, wohin sie wollte. Ein kleines Stück gingen wir gemeinsam, so zufällig eben, wie zwei sich treffen, die den gleichen Weg haben, ein kurzes Stück weit. Nur wenig Annäherung war möglich,  eine gewisse Fremdheit blieb, Verlegenheit oder Unsicherheit. Obwohl ich schon dachte, ich hätte dich aus den Augen verloren, tauchtest du immer wieder auf, gingst neben mir, wurdest jedes Mal vertrauter, lebendiger.

Da gibt es noch ein Sommerbild von dir. Beim Baden traf ich dich, wie du der Hitze ausgewichen bist und dich unter den Schatten der Bäume gesetzt hattest, ein weißer Fleck warst du, sommerhell leuchtete dein langes Kleid. Wieder hattest du ein Buch in der Hand, als du grüßend die Hand gehoben hast. Gerne wäre ich wieder umgekehrt, hätte mich zu dir gesetzt, wagte es aber nicht.

Erinnerst du dich an die Steine, die wir ein anderes Mal so ganz nebenbei, am Wasser sitzend aus unseren Händen fallen ließen, spielerisch? Du erzähltest von dir, und ich bemerkte mit heimlicher Genugtuung, dass zwei unserer Steine dicht nebeneinander ins Wasser getaucht waren, und die sich weich ausbreitenden Kreiswellen sich unablässig näherten und sich für Momente überschnitten, weit in den Bereich des anderen vorstoßend. Du hattest es auch bemerkt und kurz schauten wir uns an, ehe du, den nächsten Stein schon in der Hand rollend, weiter erzähltest.

Wir kamen uns näher mit jeder Begegnung. Du bist viele Wege vor mir gegangen, bittere und unbequeme, aber auch Wege, die dir Mut gaben, nicht stehen­ zu bleiben. Du hast nicht nur die einfachsten Wege gewählt, nicht die kürzesten. Den Hindernissen bist du nicht ausgewichen, du hast dich ihnen gestellt, wurdest dabei auch verletzt. Allmählich  erst wurde mir klar, wie tief die Wunden waren, die man dir geschlagen hat. Einziger Schutz für dich: verstecken, verbergen. Die Maske, die den anderen nichts von dir verrät, dein Lachen, laut, unbekümmert mit einer winzigen Nuance Verzweiflung, manchmal. Du lebst so wie ich es mir oft wünschte, ein altes Haus, verträumter Garten, in allem ein bisschen anders. Aber ich spürte: irgendwie warst du nicht so zufrieden, wie ich es mir erhofft hätte an deiner Stelle. Heute ist mir klar, dass es wohl unmöglich ist, sich in gesicherter Situation, in deine Lage zu versetzen. Und du, du wolltest nicht, dass ich bemerkte, wie deine Existenz manchmal wirklich bedroht war, unsicher fast immer. Du kämpftest ja gerade um eine Entscheidung für die Zukunft: Sollte dein Studium tatsächlich umsonst gewesen sein? All die Zeit und Energie, die du dafür aufgebracht hast, vergebens? Du hattest zu dieser Zeit wenig Gelegenheit zum Lachen, und trotzdem hast du gelacht, laut wie so oft.

Ich habe dich damals bewundert. Du hast dich entschieden gegen die Meinung so vieler, du hast für dich entschieden, mutig auf mögliche Sicherheiten verzichtend. Du warst bereit, unbekannte Wege zu gehen, dich auf Neues einzulassen, um deinen Lebensunterhalt sichern zu können. Du brauchtest einen langen Atem, erst in einigen Jahren würde dein Ziel erreicht sein, auch das wusstest du.

Lange habe ich überlegt, wie ich entschieden hätte, letztlich vielleicht doch mehr für die sofortige Sicherheit, das heißt auch gleichzeitig für Langeweile, Monotonie. Dein Leben erschien mir aufregender, lebendiger, bunter als meines. Neben dir wirkte ich fad und farblos. Wer war ich schon? Sicherer Beruf, alles bisher geradlinig verlaufen, einfache saubere Wege gegangen, alles geregelt, gesichert und doch – glücklich nicht, aber wer ist schon glücklich? Ich hätte zu gerne gewusst, was du von mir dachtest, aber um ehrliche Antworten auf solche Fragen zu bekommen waren wir noch zu weit entfernt voneinander. Spürte ich doch manchmal den Abstand sich verringern, ein winziger Schritt hätte genügt, und wir wären uns nah gewesen. Doch die Zeit rannte uns davon und wir durften diesen einen Schritt nicht tun, der mir so viel bedeutet hätte.

Ein letztes Bild habe ich noch von dir, eines von deinem letzten Fest. Wir wollten uns in zwei Wochen wiedersehen, dir ging es gut, ich fühlte es und war froh mit dir. Wir trafen uns früher, unbeabsichtigt, und ob du mich noch sehen konntest unter all jenen, die gekommen waren, um dir Lebewohl zu sagen, ich weiß es nicht. Wieder bist du einen unbequemen Weg vor mir gegangen, wieder anders als andere, mitten aus einem Fest heraus. Wie sehr hoffe ich, dass du wenigstens glücklich warst, ehe du so plötzlich und vollkommen unerwartet den Weg aus dem Leben gingst, ihn unfreiwillig gehen musstest, ungefragt.

Ich weiß nicht mehr, welchem Zufall  ich es verdanke, dass wir uns begegnet sind, aber noch fühle ich deine Nähe in gewissen Augenblicken, an bestimmten Orten, die für immer die Rahmen für dein Bild sein werden. Noch heute würde ich dich am liebsten anrufen, um deine Stimme noch einmal zu hören. Vergeblich: Kein Anschluss mehr möglich. Aber  was ich dir in stummen Selbstgesprächen  berichte, –  du  weißt es, davon bin ich überzeugt.

Abschied

03 Sonntag Mai 2015

Posted by josephinesonnenschein in Belletristik, Gedanken, Kurzgeschichte, Literatur

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Schlagwörter

Erinnerung, Gedanken, Gefühle, Kurzgeschichte, Kurzgeschichten, Psychologie, Tod, Trauer

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Die Krankenschwestern hatten sich in das Stationszimmer zurückgezogen und saßen gerade beim Frühstück. Bitte nur in dringenden Fällen stören! las ich auf dem Schild, das an der Tür hing. War ich ein dringender Fall? Davon war ich fest überzeugt, trotzdem lag mir die Angst im Magen und am liebsten hätte ich eine Toilette aufgesucht, als ich spürte wie sich diese Angst in meinem Unterleib ausbreitete. Es musste sein, dass ich klopfte und ich überwand meine Hemmung zu stören und öffnete die Tür, einen spaltbreit nur.

Eine der Schwestern erhob sich sofort und kam auf mich zu. Höflich fragte sie mich, was ich wollte. Meine Stimme zitterte, als ich ihr meinen Wunsch mitteilte, aber ich war fest entschlossen, mich nicht abweisen zu lassen.

Sie schaute mich prüfend an und sagte, dass gerade eben Besucher hier gewesen wären. Eben deshalb, schoss es mir durch den Kopf, deshalb durfte ich jetzt nicht umkehren. Ich hatte meiner Familie versprochen zu kommen und nun war ich hier, verspätet zwar, aber entschlossen zu bleiben.

Ich entschuldigte mich dafür, dass ihre Pause nun zum zweitenmal unterbrochen wurde. Gleichzeitig ärgerte ich mich darüber, mich ständig zu entschuldigen, obwohl oft kein Grund dazu vorlag. Die Schwester war noch sehr jung und sie strahlte eine unerschütterliche Ruhe aus, die mich ein bisschen tröstete und meine Sympathie für diese Schwester weckte. Sie nickte, holte sich einen dicken Schlüsselbund und forderte mich auf, ihr zu folgen. Schweigend betraten wir den Aufzug, der tief in den Keller führte. Mich fröstelte. Unheimlich ruhig war hier alles, kein Mensch außer der Schwester und mir. Mein Bauch schmerzte unangenehm. Verdammte Angst klammerte sich darin fest. Endlich blieb die Schwester vor einer Tür stehen, schloss auf und bat mich vorher noch zu warten, einen Augenblick nur. Gleich ist es soweit, meine Gedanken schweiften ab. Ich kannte diese Reaktion schon lange. Wenn ich Angst hatte, versuchte ich mich abzulenken. Mich störte es sehr, dass die Schwester dabei war. Ich wäre gerne allein gewesen, ganz allein, nur du und ich. Die Schwester gab die Tür frei und deutete auf das erste Bett. Mit schwachen Beinen trat ich in einen Raum, in dem ungefähr fünfzehn Betten, abgedeckt mit weißen Tüchern, standen. Blitzartig wurde mir klar, dass unter jedem Tuch ein Toter lag, jung oder alt, Mann oder Frau, ich wusste es nicht. Nein, ich durfte mich nicht ablenken lassen, ich musste zu dir.

Da lagst du nun, aufgedeckt und fast so weiß wie das Tuch, mit dem man dich bedeckte. Nicht zudeckte, nein, unter dem man dich versteckte wie all die anderen hier, die dir stumm Gesellschaft leisteten.

Beinahe hätte ich dich nicht erkannt. So fremd warst du plötzlich, das konnte ich nicht verstehen. Aber dein rechtes Auge war nicht ganz geschlossen, wie durch einen winzigen Spalt blinzelte es mir zu. Daran habe ich dich sicher wiedererkannt, dein blinzelndes Auge war mir vertraut. Deine Hände, die mir so viele Male in Kindertagen Wärme und Trost schenkten, waren nun gefaltet und nie mehr werde ich sie spüren können. Ohne Rosenkranz lagst du da, hattest nichts was dir Trost geben könnte. Die Schwester hatte gemeint, ich sollte dich erst anschauen, wenn du „hergerichtet“ wärst, dann wäre es für mich angenehmer. Aber ich wollte dich doch sehen, so wie du warst, wie ich dich kannte, schon als kleines Kind. Besonders hergerichtet warst du nie.

Als ich selbst vor Jahren im Krankenhaus lag, hattest du mir eine Rose geschenkt aus deinem Garten und ich erinnerte mich jetzt ganz deutlich daran. Diese duftende Rose von damals hätte ich dir gerne in die Hand  gegeben oder wenigstens einen Rosenkranz, aber nichts hatte ich, mit leeren Händen stand ich vor dir und hatte Angst von der Schwester beobachtet zu werden oder in ein Weinen auszubrechen, das kein Ende finden würde. Nur berühren konnte ich dich ein letztes Mal und mir deinen Anblick einprägen, um ihn nie wieder zu vergessen.

Als kleines Kind fragte ich dich, was den Menschen passieren wird, die gestorben sind. Ruhig und überzeugt erklärtest du mir, dass wir uns alle im Himmel wiedersehen würden. Ich glaubte dir sofort und lange Zeit. Und jetzt, werden wir uns wiedersehen? Wer tröstet mich nun? Und wer hat dich getröstet in deiner letzten Minute. Ich war entsetzt, dass ich nicht gespürt hatte wie nahe deine letzte Minute war. Das musst du mir glauben, denn hätte ich es geahnt, ich hätte dich nicht allein gelassen.

Die Schwester wartete schweigend auf dem Flur, da riss ich mich los und verließ den Raum. Sorgfältig deckte sie dich wieder zu, verschloss die Tür und begleitete mich zum Aufzug. Sie hieß Helga und ich konnte mir vorstellen, dass sie dir auch gefallen hätte. Bevor ich den Aufzug verließ, bedankte ich mich und trat wie benommen ins Freie. Draußen blühten Rosen, dunkelrot und duftend, Rosen für dich. Ich spürte die Sonnenwärme auf meiner Haut und wusste, es war Sommer, dein letzter, und du warst tot.

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