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Josephine Sonnenschein – Kurzgeschichten, Gedichte, Bilder

Josephine Sonnenschein – Kurzgeschichten, Gedichte, Bilder

Schlagwort-Archiv: Kindheit

Tonne (2)

16 Montag Okt 2017

Posted by josephinesonnenschein in Allgemein, Belletristik, Erzählung, Gedanken, Literatur

≈ 4 Kommentare

Schlagwörter

Depression, Freude, Freundschaft, Hoffnung, Hund, Kindheit, Leben, Liebe, Tod, Trauer, Verzweiflung

Fortsetzungsgeschichte

Hinweis an die Leserinnen und Leser: Bei dem Text „Tonne“ handelt es sich um eine Erzählung, deren Inhalt frei erfunden ist. Ich habe sie vor einiger Zeit geschrieben und werde sie nun in einzelnen Teilen vorstellen.

Bettina (2)

Schulter an Schulter sitzen, ihren vertrauten Duft riechen, ihrer hellen Stimme lauschen, dem ausgestreckten Finger folgen, der unermüdlich auf Bilder zeigt, mal hier, mal dort hin wandert, eine Geschichte einfordernd. Eine Geschichte von ihm, ausgerechnet von ihm, der kaum ein Wort spricht. Bettina weiß das nicht, hat keine Ahnung. Ihr Bruder ist groß, also kann er eine Geschichte erzählen, so wie alle anderen Großen. Bettina klopft ungeduldig auf die kleinen bunten Bilder, blickt ihn fragend an. Er quält sich, kennt die Bilder, sucht nach den passenden Worten, sie zu beschreiben, fördert sie mühsam an die Oberfläche, längst gehörte Worte, stottert zunächst, sieht Bettinas aufmerksame zufriedene Miene, das gibt ihm Mut und die nächsten Worte holt er mühelos aus seinem Gedächtnis, bringt sie nahezu flüssig über die Lippen. Bettina wiederholt sie andächtig. Junge. Katze. Auto. Baum. Das Staunen der Mutter über Bettinas neue Wörter. Von ihm, dem wortlosen Bruder.
An manchen Tagen fühlt er sich beobachtet, spürt die Augen seiner Mutter forschend in seinem Rücken, versteht nicht den Grund, fühlt sich unbehaglich, ohne zu wissen warum. Dann, am Abend, als Bettina ihm die Arme um den Hals schlingt, er seinen Gute-Nacht-Kuss erhält, da legt auch seine Mutter die Arme um ihn, hält ihn ganz kurz und streicht ihm über den Kopf. Flüstert: Du magst Bettina wohl sehr. Gute Nacht, schlaf gut und träum schön. Ganz warm wird es ihm, eine nie gekannte Freude breitet sich in ihm aus. Noch im Bett spürt er die Umarmung seiner Mutter, kann lange nicht einschlafen, aufgewühlt vor freudiger Erregung.

Auf den weiter entfernteren Wegen zwischen den Gräberreihen waren undeutliche Stimmen zu hören. Fremde Leute näherten sich, Melanie bückte sich rasch und untersuchte ihre Schuhe, als sie sich wieder aufrichtete, waren Karl und Tonne plötzlich verschwunden, nirgends zu entdecken. Neugierig suchte sie nun ebenfalls das Grab, das ihr mehr von Karl verraten würde.
Die blitzende Glasscherbe zeigte es ihr. Gespannt stand sie vor einem schlichten Holzkreuz, versuchte mühsam die Aufschrift zu entziffern, die verschnörkelten Buchstaben sahen so gar nicht aus wie die Buchstaben in ihrem Lesebuch.
„Bettina H.., geb. am …, gest. am…..“ Ein winziges Bild war am Kreuz befestigt und wieder erkannte sie das Mädchen, das ihr so ähnlich sah: Bettina.

Karl kommt heim

Karl öffnete das Gartentor und klingelte lange an der Tür.
„Da bist du ja endlich, wird auch Zeit.“ Kopfschüttelnd warf seine Mutter einen resignierten Blick auf die schmutzigen Schuhe ihres Sohnes, nahm Karl in seiner ganzen Gestalt wahr und wunderte sich immer aufs Neue, da stand Karl vor ihr, ihr verwirrter Sohn, der nicht in saubere Kleidung zu pressen war, so oft sie es auch schon versucht hatte.

 

Erinnerungen der Mutter an Bettina

Die Kleine hatte Karl angehimmelt, war ihm gefolgt seit sie laufen konnte, irgendetwas faszinierte das Mädchen an Karl. Die beiden verstanden sich ohne viele Worte, sprachen ihre eigene Sprache, lebten in ihrer eigenen Welt.
Nie würde sie den Tag vergessen, an dem sie Bettina Karls Aufsicht überließ. Sie musste plötzlich weg.
Karl und Bettina waren in ein Spiel versunken, sie hoffte rasch zurückzukommen, dachte es könne nichts passieren. In ihrer Eile hatte sie vergessen, dass es der Tag der Müllabfuhr war. Müll übte auf Karl eine unerklärliche Faszination aus, Müll zog ihn magnetisch an. Vergessen. Wie konnte sie das vergessen?

Tonne sprang an ihr hoch und wollte gestreichelt werden, erwartete ein Wort zur Begrüßung.
Tonne, wie hatte sie diesen Hund gehasst, heute ist ihr das unvorstellbar. Tonne war wirklich unschuldig, während sie, die mit Verstand begabt war, versagt hatte. Sie und Karl, aber auch Karl war unschuldig. Das große Kind, dessen Gedankengänge niemand nachvollziehen konnte, Karl, der nie erwachsen werden würde, ihn traf keine Schuld, auch wenn sie ihn damals angeschrien hatte in ihrer Verzweiflung, warum er nicht aufgepasst hätte, sollte er ihr sagen.
Karl, der Bettina ebenso verzweifelt gesucht hatte, überall im ganzen Haus, Karl, der sie immer noch sucht, der neuerdings wieder von ihr spricht, von Bettina, seinem Engel, dem er begegnet sei, vor wenigen Tagen erst.

Eines hatte sie erzwungen: Karl musste sich stets umziehen und sich säubern, bevor er sich zu ihnen an den Tisch setzte, zum gemeinsamen Essen. Ihr Mann hatte angerufen, er würde erst viel später kommen, war aufgehalten worden, war ins Krankenhaus gerufen worden.
Schweigend füllte sie Karls Teller mit Bratkartoffeln und Spiegeleiern, stellte die Schüssel mit Salat in seine Reichweite und setzte sich an den Tisch, ihn aufmerksam beobachtend.

Irgendwie schien er ihr verändert. Seit Tagen schon spürte sie diese Veränderung, ohne sie konkret beschreiben zu können. Unruhe hatte sie wieder erfasst, die Nächte wurden zur Qual, Gedanken bedrängten sie unablässig, raubten ihr den Schlaf, führten ihr Bilder vor, die sie längst vergessen glaubte, machten ihr deutlich, wie einsam sie war, obwohl neben ihr die gleichmäßigen Atemzüge ihres Mannes die Nähe eines Menschen verrieten.
Wochenlang litt sie damals unter ihrer Schlaflosigkeit, zwang sich täglich am Morgen aufzustehen, obwohl sie sich zerschlagen fühlte und ganz wirr war im Kopf von all den Gedanken und Bildern, denen sie in der Nacht begegnet ausgesetzt war.
Täglich aufs Neue das Frühstück richten, Karl und ihren Mann versorgen, der die beiden dann allein zurückließ, sie ihrem Schweigen überließ, sich um die Sorgen und Nöte fremder Menschen kümmerte, während sein Sohn und seine Frau gefangen waren in ihren eigenen Nöten.

Karls Tagesablauf

Karls Tagesablauf hatte seine besondere Regelung: Nach dem Frühstück drehte er eine Runde mit Tonne, dabei ging er immer die gleiche Tour: den Weg zum Spielplatz und zurück. Sie wusste, dass er immer seine blaue Tüte dabei hatte, für seine Schätze, wie er die gesammelten Abfälle nannte.
Wieder zurück verschwand er in dem Schuppen hinter dem Haus oder in seinem Zimmer, untersuchte seine Beute und begann sie zu ordnen, nach eigenen Maßstäben, die ihr fremd und merkwürdig erschienen. Er kippte alles auf einen Teppich, der immer mehr Spuren seiner Schätze aufwies, nahm seine Fundsachen prüfend in die Hand, putzte und wischte daran herum, ehe er sie sorgfältig in kleine Schachteln steckte, die sie ihm nach und nach besorgt hatte. Er hatte es auch zugelassen, dass sie gemeinsam die Schachteln bemalten, die er nun an der Wand entlang stapelte.
Heimlich kontrollierte sie inzwischen die Schachteln nachdem Karl einmal eine tote Maus darin versteckt hatte, eingewickelt in gelbes Seidenpapier. Der widerliche Geruch, den das tote Tier verströmte und von dem sie erst nicht wusste, worauf er zurückzuführen war, ließ sie zu Vorsichtsmaßnahmen greifen. Sie sah sich gezwungen dazu, obwohl sie gewiss nicht vorhatte, ihren Sohn auszuspionieren. Aber tote Tiere, das ging zu weit.

Während Karl in seinem Zimmer beschäftigt war, kümmerte sie sich um den Haushalt, sie konnte sicher sein, nicht gestört zu werden.
Zum Mittagessen saßen sie meist gemeinsam am Tisch, Tonne lag unter dem Tisch, stets auf Leckerbissen hoffend, die Karl heimlich fallen ließ, trotz der warnenden Blicke, die ihm sein Vater zuwarf. Schweigen herrschte zwischen den Menschen, zog konzentrische Kreise um die Anwesenden, von denen jeder versunken schien in seine eigene Welt. Das fordernde Bellen des Hundes ließ sie zusammenfahren, brachte sie wieder zurück in ihre gemeinsame Welt. Wie aus einem Traum erwachend blickten sie sich dann verlegen an und versuchten, mit Hilfe von mühsam herausgewürgten Worten die verloren gegangene Nähe wieder herzustellen. Aber sie war nie da gewesen, diese Nähe, die jeder sich ersehnte, konnte deshalb nicht wieder gewonnen werden, müsste erst entstehen, wachsen.
„Bettina“, murmelte Karl. Die Frau und der Mann warfen erschrocken die Köpfe hoch, blickten sich vielsagend an: Es wird doch nicht wieder losgehen, Karls Suche nach Bettina?

Karls Verhalten nach Bettinas Tod (aus der Sicht der Mutter)

Schreiend war Karl durch das Haus gelaufen, hatte in allen Winkeln gesucht, alle Möbel verschoben, das Bettzeug herausgerissen, die Gardinen von den Schienen gezerrt, die Schränke durchwühlt, immer schreiend, „Bettina“, schluchzend, nach Stunden nur noch heiser den Namen flüsternd, bis ihn schließlich ein Arzt mit Hilfe einer Beruhigungsspritze in einen unruhigen Schlaf taumeln ließ.
Und dann auch noch Tonne, das Hundebaby, jammernd, winselnd, hilflos, das am Boden mehr kroch als rannte, überall Pfützen hinterlassend, in die Karl trampelte in seiner Fassungslosigkeit.
Bettina, unser kleiner Sonnenschein, Bettina, die uns verlassen hatte, war ihrem Bruder, den sie so liebte, nachgelaufen. vertrauensvoll.
Karl, um den sie sich stets sorgte, sobald er allein unterwegs war, Karl, der Zerstreute, er hatte überlebt, schien auf seinen Gängen stets zuverlässig von einem Schutzengel beschützt zu werden, Karl ihr Sorgenkind lebte.

Karl wiederholte es noch einmal: „Bettina ist wieder da.“ Diesmal ganz deutlich. Er zog das kleine Bild aus seiner Hosentasche und legte es auf den Küchentisch: „Bettina ist wieder da.“
War das ein Rückfall? Verzweifelt blickten sich der Mann und die Frau an. Mühsam hatten sie versucht, ihm klar zu machen, dass Bettina nicht mehr unter ihnen war. Waren mit ihm auf den Friedhof gegangen, hatten ihm erklärt, dass sie hier ruhte und dass es ihr nun gut ginge. Aber Karl wollte oder konnte das nicht verstehen, begann wie ein Irrer in der Erde zu wühlen, riss Pflanzen heraus, die Leute begannen sich zu beschweren, der Friedhofswärter sprach sie an, mit Rücksicht auf die anderen, die hier ruhten und deren Angehörigen, sie müssten doch verstehen, die wollten nicht in ihrer stillen Andacht gestört werden durch einen der schrie und tobte, auch wenn es ein Ausdruck der Trauer war, aber alles musste doch ruhig, gefasst vor sich gehen. Gewiss, er hätte Verständnis, beteuerte er mehrmals, aber, wie gesagt, die Friedhofbesucher waren da anderer Ansicht, auch wenn es sich um den Sohn des Pfarrers handelte, alles musste seine Ordnung haben. Sie hatte schon verstanden: Karl war ein öffentliches Ärgernis.

Katharina – Bleistiftzeichnung

04 Sonntag Jun 2017

Posted by josephinesonnenschein in Allgemein, Bild, Bilder, Bleistift, Bleistiftzeichnung, Kunst, Portrait

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Schlagwörter

Enkeltochter, Kind, Kindheit, Leben, Mädchen, Portrait

Katharina-2017_small.jpg

Katharina – Portrait meiner Enkeltochter (Maße 30 x 28 cm)

Tobias (2) – Bleistiftzeichnung

01 Donnerstag Jun 2017

Posted by josephinesonnenschein in Allgemein, Bild, Bilder, Bleistiftzeichnung, Kunst, Portrait

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Schlagwörter

Junge, Kind, Kindheit, Kopf, Kunst, Leben, Portrait

Tobias-2_Portrait_small

Tobias – Portrait meines Enkelsohnes (Maße 28 x 24 cm)

Tobias – Bleistiftzeichnung

23 Dienstag Mai 2017

Posted by josephinesonnenschein in Allgemein, Bild, Bilder, Bleistift, Bleistiftzeichnung, Kunst, Portrait

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Schlagwörter

Junge, Kind, Kindheit, Leben, Portrait

Tobias-Portrait_small

Tobias – Portrait meines Enkelsohnes

Verrat

31 Dienstag Jan 2017

Posted by josephinesonnenschein in Allgemein, Belletristik, Gedanken, Kurzgeschichte, Literatur

≈ 16 Kommentare

Schlagwörter

Eifersucht, Erinnerung, Freundschaft, Gemeinsamkeit, Kindheit, Kurzgeschichten, Streit

Zufällig blickte ich heute aus dem Fenster im Wartezimmer meines Arztes und entdeckte auf der Häuserfront gegenüber an der Wand deinen Namen geschrieben in großen weißen Buchstaben als Werbung für dein Büro. Du bist nun also selbständig und es ist viele Jahre her seit ich dich  näher kannte.
Unsere Freundschaft fand damals ein jähes Ende und immer noch, wenn ich daran denke, überfällt mich ein starkes Unbehagen. Ich fühle mich irgendwie schuldig und hätte es dir so gerne einmal gesagt, dass es mir heute noch Leid tut, wie wir uns trennten. Beide waren wir noch Kinder. Du warst mein erster Freund und alles war gut. Wir spielten miteinander, lachten oft, gingen gemeinsam baden und keiner nahm Anstoß daran. Aber unser erstes Glück dauerte nicht lange.
Damals hatte ich auch eine Freundin, die oft mit uns gemeinsam unterwegs war und einige Zeit schien es nicht klar zu sein, wessen Freund du nun warst. Als du dich für mich entschieden hast, gab es die ersten Probleme. Meine Freundin erwies sich als sehr eifersüchtig. Mit aller Gewalt drängte sie sich zwischen uns und versuchte hartnäckig unsere gute Beziehung zu stören.
Ich erinnere mich noch genau daran wie sie dich plötzlich schlecht machte, gerne auch ins Lächerliche zog, dich verspottete. Sie konnte sehr hartherzig sein. Nach einem Streit war immer ich es, die nachgab und wieder Kontakt zu ihr aufnahm, obwohl ich sie dafür hasste. Aber ich verstand mich dann auch wieder wunderbar mit ihr und merkte wahrscheinlich gar nicht, dass ich ständig von ihr ausgenutzt wurde. Trotzdem traf ich mich weiter mit dir auf der Wiese, die es heute noch gibt. Erinnerst du dich? Du wohnst immer noch in meiner Nähe, aber ich sehe dich nicht mehr. Das liegt sicher daran, dass du nun mit dem Auto unterwegs bist und ich meist mit dem Fahrrad. Ich weiß, du bist verheiratet und hast einen Sohn, seit heute weiß ich auch, dass du ein eigenes Büro hast.
Manchmal frage ich mich, ob du ab und zu noch an unsere Freundschaft aus Kindertagen denkst. Ich würde zu gerne wissen, ob du unter der Trennung gelitten hast. Mir fällt es immer noch schwer, gelassen daran zu denken. Ich versuchte schon die ganze Angelegenheit als Kindersache abzutun und mit Humor zu betrachten, also nachsichtig darüber zu lächeln. Es will mir aber nicht gelingen, denn ich schäme mich vor mir, dass ich meiner Freundin nachgegeben habe und mit ihr diesen verletzenden Brief an dich geschrieben habe, die Aufkündigung unserer Freundschaft.
Nachher bin ich dir ständig ausgewichen, ich fühlte mich so unglücklich und hätte alles gerne wieder rückgängig gemacht, aber da war es zu spät.
Wehmütig denke ich an meine Kommunionsfeier zurück. Ich wollte dich einladen, aber meine Eltern erlaubten es nicht. Am Abend habe ich mich mit dir allein getroffen. Du hattest mich darum gebeten, heimlich, weil du mir etwas schenken wolltest. Heute noch habe ich dein Bild von damals. Es zeigte eine Mutter Gottes mit dem Jesu Kind im Arm. Auf die Rückseite des Bildes hattest du eine Widmung eingeritzt, für mich, mit weißem Stift. Das Glück von damals kann ich noch immer verspüren. Mein Gott wie war ich froh. Ich sehe mich wieder, klein und unendlich glücklich an jenem warmen Maiabend die dunkle Straße entlanggehen. Dein Bild hielt ich im Arm wie einen kostbaren Schatz und es war so gut zu wissen, du magst mich.
Lange Zeit begleitete mich dein Geschenk. Jetzt liegt es im Keller. Hin und wieder, wenn ich in meinen alten Ordnern krame, fällt es mir in die Hände, jedes Mal unerwartet und völlig überraschend. Gedankenverloren wische ich den Staub ab und sehnsüchtig denke ich an jene entfernte Zeit zurück, die auf einmal wieder so nah ist, jene Zeit, da Liebe, auch eine Kinderliebe so natürlich war.
Einmal nahm ich dich mit auf mein Zimmer, das ich damals neu eingerichtet bekam. Irgendetwas wollte ich dir zeigen, was, weiß ich nicht mehr so genau. Unerwartet tauchte da meine Mutter auf und sah mich seltsam an. Später erklärte sie mir, ich dürfte dich nicht mehr auf mein Zimmer mitnehmen, vor allem nicht allein. Der Grund dafür war mir rätselhaft, heute sehe ich darin eine Unterstellung, sicher ungerechtfertigt jedoch. Erwachsene sahen die Liebe anders, sie konnten sich nicht vorstellen, dass es tatsächlich eine ernstzunehmende Kinderliebe geben konnte, die ehrlich und unschuldig war.
Meine Freundin versuchte mir einzureden, man könnte ein Kind bekommen, wenn man sich an der Hand gehalten hat. Du hast auch meine Hand gehalten, zärtlich, liebevoll beim Laufen durch hohes Gras und wir lagen nebeneinander, Seite an Seite, in den Himmel über uns blickend, grenzenlos unbeschwert und glücklich, unsere Nähe zu spüren. Schreckliche Angst quälte mich einige Tage, denn aufgeklärt war ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Wohl wusste ich, dass eine Frau schwanger werden konnte, denn das hatte mir meine Mutter schon erklärt, indem sie mich verlegen darauf hinwies, ich sollte Frauen mit dicken Bäuchen nicht auslachen, denn es könnte durchaus sein, dass sich in einem dicken Bauch ein Baby verbarg. Tagelang beobachtete ich daraufhin meinen eigenen Bauch, um endlich beruhigt festzustellen, dass er sich nicht veränderte. Schließlich dachte ich mir, konnte die Behauptung meiner Freundin logischerweise nicht stimmen, denn dann dürfte man sich ja die Hände auch nicht schütteln, ohne ständig Gefahr zu laufen ein Kind zu bekommen. Doch meine Freundin hatte mir Angst eingejagt und vor allem spürte ich, dass sie es absichtlich getan hatte.
Allmählich begann ich zu begreifen, was sie vorhatte. Sie wollte heimtückisch unsere Freundschaft zerstören. Wie lange es gedauert hat, bis sie mich endgültig davon überzeugt hat, es sei besser, auf dich zu verzichten, weiß ich nicht mehr.
Oft noch trafen wir uns, hatten uns immer eine Menge zu erzählen, aber der Schatten der anderen drängte sich unaufhaltsam zwischen uns. Heute würde man von einer Dreierbeziehung sprechen, die bekanntlich selten ohne Konflikte auskommt und alle Beteiligten in heftige Gefühlsausbrüche verstrickt. Auch bei Kindern ist das nicht anders. Immer wieder schaffte es meine Freundin mir feine Stiche zu verpassen, um unsere Beziehung schlecht zu machen und dich in Frage zu stellen. Irgendwie gelang es ihr dann auch, mir klar zu machen, ich müsste mich zwischen dir und ihr entscheiden. Meine Entscheidung kennst du ja und findest es vermutlich lächerlich und eine bloße Zeitverschwendung, darüber heute noch nachzudenken. Ich weiß, vermutlich denken alle so. Trotzdem möchte ich es dir einmal wenigstens gesagt haben wie Leid es mir schon kurz darauf getan hat, unsere Freundschaft auf so schäbige Weise verraten zu haben.

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