Schlagwörter
Depression, Foto, Freude, Freundschaft, Hund, Leben, Liebe, Tod, Trauer
Fortsetzungsgeschichte
Hinweis an die Leserinnen und Leser: Bei dem Text „Tonne“ handelt es sich um eine Erzählung, deren Inhalt frei erfunden ist. Ich habe sie vor einiger Zeit geschrieben und werde sie nun in einzelnen Teilen vorstellen.
Reaktion der Leute auf Karls Behinderung
Wie hatten sich die Leute das Maul zerrissen, als sie allmählich merkten wie es um des Pfarrers Sohn bestellt war: Er war einfach anders als die anderen. Im Kindergarten fiel das nicht so deutlich auf, aber in der Grundschule traten massive Probleme auf: Karl war einfach überfordert, an der falschen Schule. Ihrem Mann wurde es allmählich peinlich, dass er, der angesehene Pfarrer, einen behinderten Sohn hatte, der keinerlei Rücksicht nahm auf den Ruf des Vaters. Aber ihr Mann liebte ihn, trotz der Schwierigkeiten, sie fühlte das, während sie ihn nicht so annehmen konnte wie er war, so sehr sie sich auch Mühe gab. Es gab Momente, da verabscheute sie sich selbst: Eine Mutter, die ihr eigenes Kind nicht liebte? Noch dazu die Frau eines Pfarrers. Aber war Karl wirklich ihr eigenes Kind? War er ihr nicht aufgezwungen worden von einem Fremden, der sie gewalttätig überfallen hatte, an jenem Abend, der in ihren Träumen immer wieder auftauchte, jener Abend, der ihr zum Schicksal geworden war?
Wie hatte sie sich geschämt, wie war sie verzweifelt gewesen, dass ausgerechnet ihr das passieren musste: Eine Vergewaltigung. Welch harmloses Wort im Vergleich zur grausamen Realität. Hilflos ausgeliefert zu sein, trotz heftigster Abwehr zu unterliegen, fremde Gewalt ertragen zu müssen, sie auszuhalten und danach wieder aufzustehen und so völlig allein zu sein, getrennt von allen anderen, mit keinem darüber reden zu können. Das war das Schlimmste. Heimkommen und den Augenblick verpasst zu haben, den richtigen Augenblick, darüber zu berichten, die Polizei einzuschalten, den Täter zu verfolgen. Sie dachte an ihren Mann, der sie vielleicht nicht mehr lieben würde, der ihr vielleicht sogar die Schuld geben würde und dann – die Polizei einschalten, mit all den unangenehmen Fragen? Das Gerede der Leute aushalten müssen, ihr Mann wäre dem ebenso ausgesetzt, in seiner Pfarrei, ihr Mann, der täglich mit vie-len Menschen zusammentraf, wie hätte er sie vor dem Gerede und Getuschel, den Vermutungen schützen können? Nein. Niemand sollte davon erfahren. Sie wollte alleine damit fertig werden und hoffte nur eines: nicht schwanger geworden zu sein von jenem Mann, den sie abgrundtief hasste, denn auch ein Kind von ihm, dem Unbekannten, würde sie nicht lieben können. Sie wusste es damals schon.
Abtreibung? Sicher, daran hatte sie im ersten Moment auch gedacht, aber der Respekt vor dem ungeborenen Leben verbot ihr den Gedanken weiter zu denken, in ihn die Tat umzusetzen.
Ein banges Warten begann ehe sie die Gewissheit hatte: Sie erwartete ein Kind. Ihr Mann war überglücklich, ahnte er doch nichts von ihren geheimen Befürchtungen: Wer war der wirkliche Vater? Sie versuchte sich zufrieden zu geben, hoffte immer noch, ihr Mann sei der tatsächliche Vater. An anderen Tagen war sie davon überzeugt, dass die Geburt alles an den Tag bringen würde: das Aussehen des Kindes würde Rätsel aufgeben und sie verdächtigen, einen Seitensprung begangen zu haben. Die untreue Ehefrau oder die vergewaltigte, egal, ihre Ehe wäre zerstört, das Vertrauen verschwunden.
„Wo hast du Bettina gesehen?“, erkundigte sich Karls Vater behutsam. „Auf dem Spielplatz.“ Absolut sicher antwortete Karl. „Auf dem Spielplatz?“ Karl nickte bestätigend und schob sein Bild wieder ein.
Reaktion des Vaters auf seinen Sohn, als er wieder von Bettina spricht
Karl, sein Sohn. Der Pfarrer sah ihn wehmütig an. Er hätte sich auch einen anderen Sohn gewünscht. Sicher. Aber nur vor sich selbst, in seinen geheimsten Gedanken gab er diesen Wunsch zu, niemals vor seiner Frau, die deutlich mehr litt, als er selbst. Karl, der hübsche Kerl, der sich so merkwürdig verhielt, der sich weigerte, sich anständig anzuziehen, der daherkam wie ein Obdachloser, obwohl doch jeder in seiner Nachbarschaft wusste, wie gepflegt es im Pfarrhaus zuging. Karl, den jeglicher Müll faszinierte, aus unerklärlichen Gründen. Karl, der sich sträubte und wehrte, wenn man ihn zärtlich umarmen wollte. Was war los mit diesem Jungen? Äußerlich und vom Alter her ein junger Mann, in seinem Gemüt ein Kind. Trotzdem, er hatte ihn angenommen. Er als Pfarrer sah hier eine Gelegenheit, den Leuten zu beweisen, wie gelebtes Christentum aussah. Liebe deinen Nächsten, liebe deinen Sohn. Er tat es, er versuchte es, auch wenn es nicht immer gelang und er mit Gott haderte in einsamen Nächten, die er rasch vergessen wollte.
Wie hatte er dagegen sein kleines Mädchen geliebt, von der ersten Sekunde seines Lebens an. Unbeschreiblich war dieses Glück, ein gesundes Kind haben zu dürfen. Sein Sonnenschein, der jetzt sein Engel geworden war, nach diesem schrecklichen Unfall, vor nun vier Jahren. Alle schienen so glücklich gewesen zu sein, auch seiner Frau gelang es besser, ihren Sohn Karl mit seinen Eigenheiten anzunehmen, noch dazu, als sich herausstellte, dass die kleine Schwester so an Karl hing und dieser sich rührend um sie kümmerte, ja geradezu aufzublühen begann und sie schon zu hoffen wagten, Karl würde sich endlich weiter entwickeln, seinem Alter gemäß.
Fünf Jahre währte dieses Glück ehe es brutal zerbrach.
Kurze Zeit nach dem tödlichen Unfall hatte er sich um eine Stelle als Krankenhauspfarrer beworben. Er kümmerte sich nun um Menschen im Krankenhaus und um die Bewohner des Altenheimes.
Sie waren auch umgezogen. Seine Frau hatte es nicht mehr ausgehalten, täglich auf die Stelle blicken zu müssen, an der Bettina in ihr Unglück gerannt war. Von einem Stadtviertel in das andere, er hatte auf das Pfarrhaus verzichtet, es seinem Nachfolger überlassen, war letztlich auch froh, in einem anderen Stadtteil zu wohnen. Hier war sein Unglück nicht mehr täglich gegenwärtig, nicht nach außen sichtbar. Gewiss, er dachte jeden Tag daran, bestimmt auch seine Frau, obwohl sie nie miteinander darüber sprachen. Unausgesprochene Vorwürfe breiteten sich aus zwischen ihnen, nie gesagte, auch nicht angedeutete und trotzdem spürbar wie allerfeinste Nadelstiche.
Er hatte damals eine Panne gehabt und einen wichtigen Termin, er hatte seine Frau gebeten, ihn abzuholen, hatte nicht daran gedacht, dass sie Karl nicht allein mit Bettina zurücklassen sollte, hatte nicht geahnt, wie gefährlich das sein könnte.
Alles war zu schnell gegangen. Schicksal? Er suchte Trost in seinem Glauben, einen Trost, den er seiner Frau nicht vermitteln konnte. Sie war nicht bereit, das Unglück anzunehmen, versank zunehmend in Bitterkeit und Depression. Er befürchtete an manchen Tagen sogar, sie könnte sich etwas antun, oder auch Karl, den anzunehmen ihr immer schwerer fiel.
Trotz des Wohnungswechsels hatte Karl keine Schwierigkeiten, seinen üblichen Weg zu gehen: Zum Spielplatz und zurück, am Morgen, wo er sich allerdings am Nachmittag herumtrieb, war nicht aus ihm herauszubringen. Manchmal begegneten sie sich unerwartet, vor dem Supermarkt oder auch auf dem Friedhof. Während er versuchte mit Karl zu sprechen, tat dieser so, als wäre er ein Unbekannter, ignorierte ihn einfach, im Gegensatz zu Tonne, der ihn stets stürmisch begrüßte.
Er hatte es aufgegeben, sich um Karl unnötige Sorgen zu machen, er fühlte immer mehr eine innere Gewissheit, die ihm das Gefühl gab, dass sein Sohn gut beschützt würde, irgendwie vertraute er auf sein Gefühl und sein Sohn fand stets wieder zurück, kam einigermaßen pünktlich zum Essen, der Hunger trieb ihn heim und sein prall gefüllter Müllsack, gefüllt mit seinen Schätzen. Eigentlich war er mit so wenig zufrieden, stellte er immer wieder fest, aber er gab auch so wenig, schien seine Liebe nicht zu erwidern, jedenfalls nicht so, wie er sich das immer vorgestellt hatte. Liebender Vater, liebender Sohn, Zeit für gemeinsame Spiele, Zeit für Gespräche …
Karl erinnert sich an Bettina
Vorsichtig nahm Karl die Steine in die Hand, er prüfte sie und rieb den Schmutz an seinen Hosenbeinen ab, hielt sie abwägend in der Hand, strich behutsam darüber und legte sie schließlich in eine rote Schachtel zu anderen Steinen, die alle glitzernde Stellen aufwiesen. Er war zufrieden mit der Ausbeute seiner heutigen Schatzsuche. Tastend fuhr er mit seiner rechten Hand noch einmal in den Müllsack und erspürte noch etwas Hartes, das er erstaunt herausnahm.
Er hielt einen rosaroten Stein in der Hand, der durchsichtig schimmerte und die Form eines Herzens hatte. Zärtlich hielt er ihn an seine Wange, spürte die Kühle. Bewundernd drehte und wendete er ihn. Woher hatte er diesen Stein bloß? Er konnte sich nicht erinnern, ihn aus einem Mülleimer geholt zu haben. Versunken starrte er auf den Stein, da endlich fiel es ihm wieder ein: Das fremde Mädchen. Bettina. Sein Engel. Aber das Mädchen wollte nicht Bettina genannt werden, das hatte er schon gemerkt. Melanie hieß sie, jetzt wusste er es wieder. Sie hatte ihm ein Geschenk gemacht, heute auf dem Spielplatz. Melanie. Er zerrte das Bild seiner Schwester aus der Hosentasche. Bettina oder Melanie?
Er sehnte sich so nach Bettina, nach ihrem Lachen, ihrer zärtlichen Hand, ihrer unbekümmerten Zuneigung, die auch er erwidern konnte, ohne in eine starre abwehrende Haltung zu versinken. Er suchte sie immer noch, inzwischen heimlich, denn er spürte unbewusst, wie unerträglich es für seine Eltern war, ihn bei seiner Suche nach Bettina zu ertappen. Er fühlte auch die tiefe Abneigung seiner Mutter, die ganz innen in ihr steckte, tief verborgen. Aber er hatte seine Mutter auch anders erlebt.
Zu Bettinas Zeiten. Strahlend, zufrieden, zärtlich, war sie da gewesen, auch ihm gegenüber liebevoll. Ohne innere Abneigung, das hatte er gespürt. Seine Liebe zu Bettina hatte ihm die Liebe seiner Mutter gebracht.
Aber tatsächlich war es anders gewesen: Bettina hatte seiner Mutter gezeigt wie sie ihn lieben konnte, ihn, den komischen Kerl, der von allen so misstrauisch beobachtet wurde, über dessen merkwürdiges Verhalten ständig geredet wurde. Bettina ahnte nichts davon, sie nahm ihn an, als Mensch und Bruder. Das war es, was seine Mutter dazu gebracht hatte, ihn auch anzunehmen, kurze Zeit wenigstens. Aber davon ahnte er nichts. Wusste nicht, dass sie ihm die Schuld an Bettinas Tod gab und vor allem sich selbst.
Sie hatte ihm ihr Grab gezeigt, versucht zu erklären, dass Bettina jetzt im Himmel sei, ein Engel wäre, der auf ihn heruntersehen würde, ihn ständig begleiten würde. Es hatte lange gedauert, bis er einigermaßen begriffen hatte. Tot. Das war Starre, das war Verschwinden, das war nicht mehr da sein. Die tote Maus, die er gefunden hatte, eines Tages, tot, wie Bettina. Er wollte sie näher untersuchen, wollte herausfinden, was mit ihr passieren würde. Wäre sie auch im Himmel zu finden oder würde sie ein Engel werden wie Bettina? Er konnte es nicht herausfinden. Die tote Maus war plötzlich verschwunden, nicht mehr aufzufinden. Wie Bettina.
Vierte Begegnung: Melanies Buch über Schutzengel
Melanie wartete schon lange. Endlich sah sie Tonne herankommen, konzentriert eine fremde Spur verfolgend. Leise rief sie ihn und blitzschnell sauste er Schwanz wedelnd auf sie zu und sprang an ihr hoch. Während sie ihn streichelte, blickte sie sich suchend nach Karl um, der meist in der Nähe des Hundes war. Karl suchte Tonne, hatte ihn aus den Augen verloren und blickte sich ebenfalls suchend um. „Hier“, schrie Melanie, „hier sind wir.“ Sie winkte mit den Armen, um Karl auf sich aufmerksam zu machen. Endlich. Er kam näher, beschleunigte seine Schritte. „Na, heute schon gute Beute gemacht?“, wollte sie wissen.
Verwirrt sah Karl sie an. „Hast du heute schon einen Schatz gefunden?“, fragte sie hartnäckig weiter. Jetzt begriff Karl. Er öffnete seinen blauen Sack und ließ sie hineinschauen. Neugierig blickte sie hinein, konnte aber nichts Besonderes entdecken, lediglich ein unangenehmer Geruch stieg ihr in die Nase und schnell wandte sie den Kopf ab. Karl schleifte den Sack schon zum nächsten Papierkorb und erforschte dessen Inhalt mit den bloßen Händen. Nach kritischer Begutachtung ließ er immer wieder etwas in den Sack fallen. Melanie spielt lieber mit Tonne als im Abfall zu wühlen. Sie wollte mehr über Bettina erfahren, unbedingt. Aber Karl war ein schwieriger Kerl, nicht gefährlich, aber seltsam, merkwürdig. Er wirkte so, als ob er sie nicht richtig verstehen könnte. Warum bloß? Fragte sich Melanie immer wieder. Sie wollte es herausfinden, alles über ihn und auch über Bettina. Gespannt setzte sie sich auf eine Bank und beobachtete Karl.
„Karl, komm bitte her“, forderte sie ihn auf. „Schau, was ich hier habe.“ Sie winkte mit einem Gegenstand. Das wirkte. Karl kam zu ihr und wartete darauf, diesen genauer anschauen zu dürfen. Melanie klopfte einladend auf die Bank und Karl setzte sich. Langsam öffnete Melanie ein kleines Buch, das sie mitgebracht hatte und hielt es erwartungsvoll Karl entgegen. Karl riss es ihr aus der Hand und starrte ungläubig auf die Bilder. Sie spürte die Veränderung, die unerwartet in ihm vorging und plötzlich begann sie sich zu fürchten. Hatte sie etwas falsch gemacht?
Karl blätterte immer wieder die wenigen Seiten vor und zurück, als suchte er etwa Bestimm-tes. „Engel“, murmelte er, „Bettina.“ „Wo ist Bettina?“, fragte Melanie. „Engel im Himmel“, erwiderte Karl und warf einen flüchtigen Blick nach oben, als suchte er sie dort zwischen den Wolken. „Schutzengel“, erklärte Melanie, mit dem Zeigefinger auf das Bild eines Engels deutend, der ein Kind sicher über die Straße geleitete.
Aber Karl verfiel in düsteres Schweigen und weigerte sich mit Melanie zu sprechen.
Bettina (3)
Sie bohrt ihre nackten Zehen in den warmen Sand, gießt aus der kleinen Wasserkanne Wasser darüber und matscht den Sand mit den Händen zu einem kleinen Berg, unter dem sie ihre Zehen verstecken will. Immer wieder springt die Sanddecke auseinander. Zu trocken, stellt er fest, steht auf und holt frisches Wasser, das er in die Sandkiste schüttet, während ihre Hände eifrig den feuchten Sand glatt streichen. Hilfe, meine Füße sind weg! Und er tut so, als ob er sie verzweifelt suche, rennt im Garten herum und sucht hinter den Sträuchern, schaut in den Schuppen, hinter das Haus, blickt prüfend in die Krone des Apfelbaumes, versucht ihn sogar zu schütteln. Sie lacht und lacht, hält es endlich nicht mehr aus und stößt ihre Füße ruckartig aus dem Sandhügel in die Luft, wackelt mit den verklebten Zehen und schreit. Hier, hier sind sie, ich habe sie wieder hergezaubert. Und er tut verwundert, ganz erstaunt. Plötzlich sind die Füße wieder da, wie ist das möglich. Sie kann tatsächlich zaubern. Bettina.
Jetzt ist er dran, muss im feuchten Sand sitzen, sich begießen lassen, darf seine Füße nicht bewegen, muss stillhalten, Bettina hat ihn verzaubert. Beschmiert ihn genussvoll mit dem feuchten Sand, schmiert ihn auf seine Wangen, die Nase, die Hände, es kitzelt, aber er muss still halten, ist verzaubert in einen Stein, ist unbeweglich. Sie betrachtet stolz ihr Werk, marschiert um ihn herum, begutachtet ihr Kunstwerk, bewegt die Hände, murmelt unverständliche Zaubersprüche, klopft ihm plötzlich auf die Schulter und ruft. Du bist erlöst, du bist wieder mein Bruder. Steh auf. Sofort. Da muss er aufspringen, so schnell wie er kann, muss ihrem Zauberspruch folgen, muss wieder der Bruder werden. So schnell, dass sie fast ein bisschen erschrickt, um sich danach umso mehr zu freuen. Bettina, die kleine Zauberin.
Enttäuscht nahm Melanie Karl das Buch aus der Hand und steckte es in ihren kleinen Rucksack zurück.
Ein helles Bellen riss Karl jäh aus seiner Gedankenwelt. Tonne stupste auffordernd seine Hand an und sprang an ihm hoch. Langsam nahm Karl wieder wahr, wo er sich befand: er war auf dem Spielplatz, das fremde Mädchen saß noch eben ihm, blickte ihn besorgt an, aber das Buch war verschwunden, kein Schutzengel war mehr zu sehen.
Er fühlte sich unendlich müde und wollte nur nach Hause, sich auf sein Bett legen, allein sein, allein mit Bettina, die ihn überallhin begleitete, auch wenn es keiner glauben wollte. Er wusste es, er fühlte ihre Nähe.
Langsam packte er seinen Müllsack, erhob sich schwerfällig von der Bank, rief Tonne zu sich und machte sich auf den Heimweg, ohne Melanie, die ihm enttäuscht nachsah, unfähig ihm hinterherzulaufen, noch eines Blickes zu würdigen.
Als sie wieder allein war, zog Melanie noch einmal das Buch aus dem Rucksack und starrte nachdenklich auf das kleine Bild, das bei Karl so unerwartete Reaktionen hervorgerufen hatte.