Schlagwörter
Ausdruck, Charakter, Eltern, Erfahrung, Erinnerung, Frau, Frauen, Gedanken, Gefühle, Schüler, Schule
Liebe Leserinnen, lieber Leser, hier veröffentliche ich einzelne Kapitel aus meinem Buch “Wish you were here – Hilferuf einer Lehrerin“.
Kapitel 8 – Der Lehrer als Sündenbock
„Faul, weltfremd, unbeweglich – keine Beamtengruppe hat so ein schlechtes Image wie die Pädagogen.“ Wirtschaft
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Scham neben Wut und Betroffenheit. Ich erzählte nur wenigen davon. Wie würden sich andere Lehrer verhalten? Scham, dem Hass der Schüler ausgesetzt zu sein, ohne sich wehren zu können. Über ihre Taten prahlende Schüler, selbst dagegen dazustehen als dummer Lehrer, hilflos.
Mangelndes Durchsetzungsvermögen.
„Sie sind der Lehrer. Sie haben die Ausbildung“.
So die Mutter eines schwierigen Schülers. Richtig, ich wurde ausgebildet für den Unterricht und den Umgang mit Schülern in einer Regelklasse. Ausgehend davon, dass diese Schüler vertraut sind mit sozialen Verhaltensweisen und von ihren Eltern erzogen wurden zu einem friedfertigen Umgang im Miteinander. Mir fehlte die Ausbildung zum Sonderschullehrer, zum Psychologen, zum Sozialpädagogen, zum Eheberater und zum Familientherapeuten.
Indirektes Eingeständnis der Eltern: Wir werden mit unserem Kind nicht fertig. Angst der Eltern vor ihrem Kind, dessen Wutausbrüchen, dessen Aggressionen. „Sie sind der Lehrer.“ Sie müssen mit meinem Kind klar kommen, aber sagen Sie kein falsches Wort, verlangen Sie nicht zu viel von ihm. Diese Haltung erspüren die Kinder natürlich. Sie erkennen den Widerspruch: Einerseits drohen die Eltern mit der Schule, andrerseits schärfen sie den Kindern ein, sich nichts gefallen zu lassen, weder von anderen noch vom Lehrer.
„Das mache ich nicht.“
„Sie können mich mal.“
„Meine Mutter war beim Anwalt.“ Triumphierender Blick von Klaus. Blitzende Augen, Provokation pur. Alle starrten mich an, feindselig bis auf ganz wenige, die mir aus Verlegenheit nicht in die Augen sehen konnten. Klaus war voll darauf konzentriert, alles was ich sagte, abzuwägen, ob es geeignet wäre für den Anwalt oder nicht. Er war bereit, meine Worte sofort aufzuschreiben um sie weiterzugeben, hielt Stift und Block schon griffbereit.
Unterricht vor einer lebenden Mauer. Selbst-Schutz. Ignorieren. Nicht zur Kenntnis nehmen. Keine Betroffenheit zeigen. Gleichgültigkeit beweisen. Fassade als Schutz-Panzer.
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Fassaden
Gut geborgen meine verwundbare Seele,
sicher versteckt meine Gefühle und
vor anderen geschützt mein wahres Ich
mit kalter Fassade das Wagnis eingeh’n,
anderen Fassaden zu begegnen.
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All das schluckte zusätzliche Energie, blockierte mich während des Unterrichts. Diese spannungsgeladene Atmosphäre erstickte meine Kreativität, ließ sie verdorren wie eine Pflanze in der Wüste.
Der Internist und Psychiater Joachim Bauer warnt davor: „Das Ansehen derjenigen weiter zu ruinieren, die unsere Kinder ausbilden. Nur ein Weg führt aus der Krise: Wenn auch „gesellschaftliche Meinungsbilder aufhören, das Image der Lehrerschaft zu ruinieren.“
Der Schüler, dein Feind, bohrende Gedanken an schlechten Tagen. Immer wieder muss ich mir ins Gedächtnis rufen: Nicht alle sind so. Kümmere dich um die „Willigen“. Sie haben ein Recht auf guten Unterricht.
Aber immer wieder auch die Frage: Warum sind die „Willigen“ so gleichgültig geworden? Warum lassen sie die Störer gewähren und distanzieren sich nicht deutlicher? Stehen sie so unter deren Einfluss? Warum halten sie nicht besser zusammen? Sind auch sie ausgebrannt und zermürbt?